Spaß mit der Deutschen Bahn und anderen Eisenbahnverkehrsunternehmen.
Fahrradmitnahme im Nahverkehr und der Dschungel der Beförderungsbedingungen
Als Vielfahrer bin ich mit einer BahnCard 100 unterwegs. Mit der darf ich auch ein Fahrrad kostenlos mitnehmen. Das ist der Bahn sogar derart wichtig, dass selbst die BahnCard 100 1. Klasse damit beworben wird.
Nun trug es sich in der Vergangenheit mehrfach zu, dass ich bei einem bestimmten Eisenbahnverkehrsunternehmen trotz BahnCard 100 eine schon recht üppige Sammlung an Fahrradtageskarten für den Nahverkehr zusammengekauft habe, weil das Zugpersonal eine andere Interpretation von den Beförderungsbedingungen hat als ich. Und wenn man mir dann die Wahl lässt zwischen einem Ausstieg irgendwo in der Provinz, womöglich auch noch aus dem letzten Zug vor der Betriebspause, einer Konfrontation mit der Bundespolizei oder einer blöden Fahrradtageskarte, dann… naja, der Klügere gibt nach.
Aber manchmal bin ich da auch so richtig auf Krawall aus.
Vor einigen Wochen war sich der Zugbegleiter schon wieder nicht sicher, ob ich mein Fahrrad denn mit meiner BahnCard 100 transportieren dürfte. Aber kein Problem, er hat ja ein Smartphone und fragte Google, ob das denn wirklich stimmte, um mir dann wortlos sein Smartphone etwa dreißig Zentimeter vors Gesicht zu halten:
„Prima“, sagte ich, „jetzt haben Sie die Fahrradmitnahme für den Fernverkehr gefunden. Wir sind hier aber im Nahverkehr, deshalb hält der Zug ja an jeder Milchkanne.“ Mein Gesprächspartner sah das leider anders und freute sich offenbar mega über den Satz „… ist die Mitfahrt leider nicht möglich.“
Das ging noch eine Weile so weiter, denn wir schauten jetzt in die Beförderungsbedingungen der Deutschen Bahn. Gefährlich, denn das Verständnis der Beförderungsbedingungen ist nicht so ganz ohne. Wenn man dort nach „Fahrrad“ sucht, findet man unter anderem Seite 52, die mit folgenden Punkten beginnt:
Zitat
Nr. 3.1.3 entfällt für Neukäufe ab dem 15.10.2023
3.1.3 Die BahnCard 100 berechtigt ihren Inhaber, alle Verkehrsmittel des öffentlichen Personennahverkehrs innerhalb der in der Preisliste unter Nr. 3 – Citybahnhöfe – jeweils bezeichneten Tarifgebiete kostenfrei zu nutzen. Weitere Zusatzleistungen gem. Nr. 3 (kostenfreie Kindermitnahme, Fahrradmitnahme) sind ausgeschlossen. Für die Benutzung des öffentlichen Personennahverkehrs gelten die Beförderungsbedingungen des jeweiligen Verkehrsunternehmens.
Mein Gesprächspartner verstand das leider so, dass ab dem 15. Oktober keine kostenlose Fahrradmitnahme für BahnCard-100-Inhaber mehr möglich wäre und kriegte sich vor Freude kaum noch ein. Und so gerieten wir in die abstruse Situation, dass ich als dummer Beförderungsfall einem Zugbegleiter die Beförderungsbedingungen der Deutschen Bahn erklären muss.
Punkt 3.1.3 regelte nämlich, dass ich mit meiner BahnCard 100 öffentliche Verkehrsmittel im Bereich des so genannten City-Tickets nutzen konnte. Meine BahnCard 100 selbst gilt nämlich „nur“ im SPNV, also Fernverkehr, Nahverkehr und S-Bahnen, nicht aber im ÖPNV, der zusätzlich noch Busse, Straßen- und U-Bahnen umfasst. Nachdem das Deutschland-Ticket aber in die BahnCard 100 integriert wurde, ist Punkt 3.1.3 aber überflüssig und wurde gestrichen.
Interessanter wäre vielleicht Punkt 3.7 gewesen, aber bis dahin haben wir’s leider nicht mehr geschafft:
Zitat
3.7 Fahrräder und Reisegepäck
3.7.1 Inhaber einer BahnCard 100 können unentgeltlich ein Fahrrad mitnehmen und einen Stellplatz reservieren, wenn sie vor Einstieg in den Zug einen Stellplatz nach Nr. 8.4.2 BB Personenverkehr reserviert haben. Es gelten die Regelungen zur Mitnahme von Fahrrädern und Pedelecs (A.8) BB Personenverkehr.
Okay, gut, also schreibe ich auch diesem EVU eine Mail. Ist ja nicht das erste EVU, mit dem ich das ausdiskutieren muss. Die Antwort ist allerdings nicht besonders erhellend: Das EVU hat auch rausgekriegt, dass ich mit meiner BahnCard 100 auch das Deutschlandticket nutzen kann und ist der Meinung, dass sich meine BahnCard 100 im Nahverkehr in das Deutschlandticket „verwandelt“, die kostenlose Fahrradmitnahme entfällt und ich daher eine „Fahrradtageskarte Nahverkehr“ bräuchte. Wohlgemerkt: Die günstigere Fahrradtageskarte des lokalen Verkehrsverbundes tut’s nicht.
Das ist natürlich Unsinn, denn meine BahnCard 100 ist eine DB-Fahrkarte, die sich allenfalls im ÖPNV in ein Deutschlandticket verwandelt, aber nicht im besagten SPNV. Aber find mal jemanden bei der Bahn, der den Unterschied erklären kann. Ich kann ja schließlich auch eine normale DB-Fahrkarte kaufen, etwa von Berlin nach Hamburg mit dem ICE, weiter bis Lüneburg mit dem Metronom, dann gilt diese Fahrkarte natürlich auch im Metronom, ohne dass ich eine separate Karte für den Nahverkehr benötige.
Fahrradmitnahme im Fernverkehr
Nächster Tag, nächster Spaß: Dieses Mal reise ich in einem Premium-Produkt der Deutschen Bahn, erkennbar an der roten Bauchbinde auf der weißen Fahrzeuglackierung. Das Zugpersonal rechnet in Lüneburg nicht mehr mit einem Fahrrad, das nach Hamburg möchte, weil jeder verständige Mensch den auf dieser Strecke genauso langsam fahrenden Nahverkehr nutzt, und ruft mir schon am Bahnsteig ein gellendes „Hallo! Radfahrer! Nicht einsteigen!“ entgegen. Klaro, den Anweisungen des Zugpersonals ist Folge zu leisten, aber ich steige mit meinem Rad zur Hauptverkehrszeit ganz sicher nicht in den Nahverkehr.
Immerhin war die Sache nicht dringlich genug, als dass man mich tatsächlich beim Einsteigen gehindert hätte, dafür ließ man sich schon wenige Minuten nach der Abfahrt meine Fahrradreservierung und -karte zeigen. Erstere hatte ich, zweitere nicht, denn auch im Fernverkehr gilt natürlich die kostenlose Fahrradmitnahme bei einer BahnCard 100 — ich benötige lediglich eine Reservierung, die ich telefonisch oder im Reisezentrum bekomme.
Auf dieser Reservierung steht aber unten, wo normalerweise der Fahrtverlauf und ein Preis aufgedruckt ist, nichts. Das ist leer. Und das forderte die Geduld des Zugbegleiters, der an diesem Montagmorgen offenbar hundert Prozent seiner Gehirnkapazität nutzte, ganz besonders, denn er beschuldigte mich tatsächlich, ich hätte die Reservierung gefälscht, beziehungsweise selbst gedruckt.
„Wer fälscht denn Bitteschön eine Fahrradreservierung?“, fragte ich, denn das war nun wirklich albern, „Schauen Sie doch in Ihrem Gerät nach, dass dieser Platz von Lüneburg bis Hamburg reserviert ist.“
Naja. So richtig auflösen ließ sich nicht, warum auf meiner Reservierung keine Preise standen, aber vielleicht hatte er kurz vor Feierabend dann doch keine Lust mehr auf Streit.
„Das System“ schlägt zurück
Mit meinem neuen Rennrad habe ich mich ja ungünstigerweise gleich zu dieversen Radrennen angemeldet, unter anderem Eschborn-Frankfurt und Rund um Köln. Ist natürlich mutig, die Saison dann gleich mit einem solchen Höhenprofil zu beginnen.
Nun muss ich am 27. Mai wieder von Köln zurück nach Lüneburg und wählte dazu den ICE 614, der um 10:11 Uhr in Köln abfährt, mich bis Hamburg-Harburg bringt, von wo aus ich ein kurzes Stück mit dem ICE 881 bis Lüneburg düse.
Nun schickte mir die Bahn eine E-Mail, dass meine geplante Reise so nicht stattfinden könne, und schlug mir folgende Route vor:
- 7:07 Uhr mit dem RE 6 von Köln nach Minden
- 10:35 Uhr mit der S 1 von Minden nach Hannover Hbf
- 11:40 Uhr von Hannover Hbf nach Hamburg-Harburg mit dem RE 3
- 14:13 Uhr mit dem ICE 881 von Hamburg-Harburg nach Lüneburg, Ankunft um 14:27 Uhr
Ich mag ja die Arbeit dieses Routenprogramms, dass ich tatsächlich mit dem RegionalExpress von Hannover an Lüneburg vorbei bis Harburg fahren soll, um dort mit dem ICE zurück nach Lüneburg zu gurken, weil ich auf diese Weise wenigstens einen Teil der geplanten Züge noch nutzen kann.
Nun drohte mir die Mail auch an, meine Reservierung umgebucht zu haben und das sieht jetzt nämlich so aus:
Ab Hamburg-Harburg habe ich also den bereits gebuchten Sitzplatz, okay, easy. Der RE 89711 ab Köln ist übrigens der RE 6 nach Minden, bei dem ich ja bezweifle, dass es dort reservierbare Plätze gibt und dann ausgerechnet noch, was für ein Zufall, einen Platz 91 in Wagen 1. Und weil das mit der Sitzplatzreservierung schon nicht so gut aussah, vermutete ich außerdem, dass ich vielleicht auch meine Fahrradreservierung los sein könnte. Wer weiß, was „dieses System“ dort alles so treibt.
Okay, also ab ins Reisezentrum. Und weil der Sachverhalt so kompliziert war, dauerte es immerhin zwei Besuche, weil man mir beim ersten nicht helfen konnte. Warum „das System“ meine Fahrt umgebucht hat, das war nicht so ganz klar, denn sowohl der ICE 614 als auch der ICE 881 fahren weiterhin zu den gewohnten Uhrzeiten und halten auch beide in Hamburg-Harburg, allerdings wird dort vom Navigator kein Umstieg mehr angeboten. Ich kann diese Fahrt also tatsächlich nicht mehr buchen. Warum? Niemand weiß es. Ich hab mit diesem Problem insgesamt fünf Mitarbeiterinnen des Reisezentrums beschäftigt, aber keine hat etwas rausgekriegt.
Ich habe nun „sicherheitshalber“ für den ICE 614 von Köln nach Hamburg-Harburg eine weitere Fahrradreservierung und einen weiteren Sitzplatz bekommen, für den Fall, dass die tatsächlich gelöscht worden sein sollte, denn das kriegt man ja leider nicht raus. Man kann zwar sehen, dass die Plätze belegt sind, aber nicht, ob in den letzten zwei Wochen vielleicht jemand anderes diese Plätze reserviert hat, nachdem sie urplötzlich freigeworden sind.
Naja. Mal gucken, wie toll das klappt.