Die Abordnung der Radwegbenutzungspflicht an der Holsteiner Chaussee kommt beim Radverkehrsexperten der FPD nicht so ganz gut an. Dr. Wieland Schinnenburg hat darüber am 1. September eine Schriftliche Kleine Anfrage gestellt, die vom Senat eine Woche später beantwortet wurde: Radfahrer auf die Holsteiner Chaussee?
Besonders großartig: Bevor der Senat die eigentlichen Fragen beantwortet, schreibt er:
Zitat
Nach § 2 der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) müssen Fahrzeuge, dazu gehören auch Fahrräder, die Fahrbahn benutzen. Eine Pflicht, Radwege in der jeweiligen Fahrtrichtung zu benutzen, besteht nur, wenn dies durch Zeichen 237 (Radweg), Zei- chen 240 (Gemeinsamer Geh- und Radweg) oder Zeichen 241 (Getrennter Rad- und Gehweg) angeordnet ist. Rechte Radwege ohne die Zeichen 237, Zeichen 240 oder Zeichen 241 dürfen benutzt werden. Linke Radwege ohne die Zeichen 237, Zeichen 240 oder Zeichen 241 dürfen nur benutzt werden, wenn dies durch das allein stehen- de Zusatzzeichen „Radfahrer frei“ angezeigt ist.
Nach Maßgabe des § 45 Absatz 9 StVO prüfen die Straßenverkehrsbehörden regel- mäßig, ob die Beschränkungen des Radverkehrs durch die Radwegebenutzungs- pflicht erhalten bleiben dürfen oder ob es die Gesamtumstände in einem Straßenzug zulassen, die Radwegebenutzungspflicht aufzuheben. Die Prüfung erfolgt unter Berücksichtigung der Verkehrssicherheit, der Verkehrsbelastung, der Verkehrsbedeu- tung, der Verkehrsstruktur, des Verkehrsablaufs, der Flächenverfügbarkeit und der Art und Intensität der Umfeldnutzung.
Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt:
Da hatte wohl jemand keine Lust, dem Herrn Schinnenburg in jeder Antwort die Verkehrsregeln zu erklären. Man erkennt allerdings schon an der Fragestellung, dass Schinnenburg möglicherweise nur auf die Reizwörter „Radfahrer“ und „mitten auf der Straße“ hereingefallen ist. Die Radwege in der Holsteiner Chaussee sind nunmal teilweise in einem erbärmlichen Zustand, insbesondere im Bereich vom Hornbach-Baumarkt bis zum Eidelstedter Platz, und ansonsten teilweise häufiger von Kraftfahrzeugen frequentiert als von Fahrrädern, denn aufgrund der Absperrgitter, die das Kampfparken auf dem Radweg unterbinden sollen, müssen Kraftfahrer eine ganze Weile auf dem Radweg herumfahren, um schließlich ordnungswidrig auf dem Gehweg vor ihrem Haus parken zu können. In diesem Bereich wurden die Radwege im Jahr 2008 saniert, entsprechen aber immer noch nicht den Regelwerken, wobei man ja zugeben muss, dass man einigermaßen problemlos darauf fahren kann, wenn man nicht gerade ein Auto vor oder hinter sich hat. Ach ja, und natürlich kann man eben nicht vernünftig nach links abbiegen, was ja eigentlich der Grund meiner Beschwerde war.
Natürlich könnte man auch die übrigen Radwege sanieren, nur kommt man selbst mit einer Verbreitung der Radwege, die mit der Fällung mehrerer Bäume einherginge, nicht mal ansatzweise an die Mindestbreiten für Radwege heran. Im Übrigen, und das müsste ja auch dem Herrn Schinnenburg der FDP bekannt sein, reicht es für ein blaues Schild nunmal nicht aus, dass es jenseits der Fahrbahn einen durch die Windschutzscheibe optisch ansprechenden Radweg gibt.
Er fragt:
Zitat
Auf welchem Abschnitt der Holsteiner Chaussee sollen Radfahrer künftig auf der Straße fahren?
Nirgendwo sollen Radfahrer „auf der Straße fahren“. Ist § 2 Abs. 4 StVO denn wirklich so schwer zu verstehen?
Allerdings:
Zitat
Trifft es zu, dass dieser Abschnitt eine Ausweichstrecke für die Autobahn 7 ist?
Da hat der Senat zwar recht, es handelt sich nicht um eine ausgewiesene Umleitung, aber trotzdem steigt die Verkehrsdichte bei Stau oder Arbeitsstellen auf der Autobahn deutlich an — man denke an die beiden Vollsperrungen an zwei Wochenenden im Juli, als zwei Brücken abgerissen wurden. Allerdings ist die Holsteiner Chaussee dann auch sofort so voll, dass kein Radfahrer auf der Fahrbahn fahren wird, weil’s da überhaupt nicht mehr vorangeht.
Inzwischen rechnet auch noch die BILD mit der Politik ab. Im Bericht Artikel über die Verschwendung von Steuergeldern wird aus irgendeinem Grunde auch noch ein Unfall in der Holsteiner Chaussee erwähnt. Geschickt wird suggeriert, dass dort ein Radfahrer überfahren worden wäre — tatsächlich gab es aber „nur“ einen Unfall zwischen zwei Kraftfahrzeugen, der nun aber als Aufhänger für die Gefährlichkeit des Fahrbahnradelns herhalten muss.
Dann schreibt BILD:
Zitat
Doch die Behörde von Verkehr(t)-Staatsrat Andreas Rieckhof (SPD) will den schützenden Grünstreifen und die Bordsteinkante entfernen, die zwei Fahrspuren auf eine verengen. Dann sollen Radfahrer künftig direkt auf der viel befahrenen Straße radeln. (…) Behörden-Irrsinn ohne Not und ohne Verstand! Denn auf beiden Seiten der Chaussee gibt es wunderbar ausgebaute Radwege. Und radelnde Kinder genießen bislang noch den deutlichen Sicherheits-Abstand zum gefährlichen Auto- und Lasterverkehr.
Ich wusste noch gar nicht, dass die Radwege tatsächlich entfernt werden sollen. Bislang war nur davon die Rede, dass das blaue Schild abgebaut wird, der Unterschied zwischen einem blauen Schild und einem nicht vorhandenen Radweg muss wohl echt schwer zu verstehen sein — nicht nur bei BILD, sondern auch bei der FPD. Dass es an der Holsteiner Chausssee „wunderbar ausgebaute Radwege“ gibt, ist ja wohl eher ein Witz: Die Radwege im sanierten Bereich sind ganz okay, der Rest aber weder „wunderbar ausgebaut“ noch irgendwie sicher. Der Untertitel des Fotos („Der Opel Corsa klebt an der Eiche. Eine Radlerin nutzt den sicheren Radweg, der entfernt werden soll“) ist ja auch eher ein Witz, schließlich fährt die Radfahrerin ordnungswidrig nebenan auf dem Gehweg.
Naja.
Dann dachte ich mir, vielleicht gibt es ja doch noch neue Pläne, tatsächlich größere Änderungen an der Radverkehrsinfrastruktur vorzunehmen, man kann ja nie wissen, schließlich rezitiert BILD ja größere Maßnahmen mit der Verringerung der Fahrstreifen von vier auf zwei (obwohl auf dem Foto ohnehin nur zwei zu sehen sind und es im fraglichen Bereich auch nur zwei gibt), aber der einzige Treffer im Netz führte… zu BILD: SPD schickt Fahrradfahrer auf Holsteiner Chaussee
In dem einen Monat alten Artikel war man sich auch nicht so ganz im Klaren, ob Radfahrer nun auf der Fahrbahn fahren dürfen oder sollen oder müssen, auch die Polizei, mit der man offensichtlich gesprochen hat, konnte BILD nicht verdeutlichen, worum es eigentlich geht.
Ich warte ja nur noch darauf, dass ich morgens im Bus das Titelblatt der BILD mit meinem Foto stehe und nebenan steht: „Dieser Radfahrer will Ihnen das Auto wegnehmen!“ Irgendwie scheint das ja alles mit dieser Beschwerde aufgrund der eingangs erwähnten Kreuzung zu tun zu haben, an der ich ja mindestens etwas beteiligt war.