Ich habe beide Berufsgruppen im Verwandten- und Bekanntenkreis und es ist zwar so, dass man natürlich auch mal etwas Gegenwind aushalten können muss, die Angst vor unberechtigten Klagen und Verurteilungen aber vollkommen übertrieben ist.
Klar, Post vom Anwalt bekommt man als Schulmeister in der Regel nur im absoluten Ausnahmefall. Den Anwalt gibt’s eher, weil die Noten nicht den Erwartungen entsprechen. Aber es passiert zum Beispiel durchaus mal, dass plötzlich um zwei Uhr morgens das Telefon klingelt, weil irgendeinem Elternteil plötzlich irgendetwas eingefallen ist. Das geht los von irgendwelchen Themen, die in der Klassenarbeit um 8 Uhr morgens abgefragt werden könnten und endet eben bei der Diskussion, ob der Schulausflug um 9 Uhr morgens mit zwölf Kilometern auf dem Rad nicht viel zu anstrengend ist für 14- bis 15-jährige Jugendliche.
Und diesen ganzen Ärger muss man sich ja nicht unbedingt ans Bein binden, wenn es nicht notwendig ist. Meine Eltern haben beide am Gymnasium unterrichtet und diese so genannten Helikopter-Eltern waren in den letzten Jahren ihrer Dienstzeit schon sehr präsent. Und wenn ich die Wahl hätte, beispielsweise einen Ausflug einfach ausfallen zu lassen, bevor ich mir stundenlange Diskussionen mit besorgten Eltern geben muss, tja, sorry, liebe Kinder, dann fällt der Ausflug eben aus.
Man muss sich das einfach mal vorstellen, was da passiert: Wenn sich ein Kind bei einer Klassenfahrt den Magen verdirbt und einen Nachmittag auf der Toilette verbringt, dann kann man sich schon auf richtigen Terror beim nächsten Elternabend einstellen. Wenn bei der Abschlussfahrt im 13. Jahrgang ein Fußmarsch von drei Kilometern Länge (!) um das antike Rom auf dem Programm steht, ruft plötzlich die Schulleitung an, weil die erwachsenen Schüler (!) ihre Eltern angerufen haben, sie müssten hier einen Gewaltmarsch sondergleichen ertragen — und dieser „Gewaltmarsch“ ist dann auf dem nächsten Elternabend natürlich ein abendfüllendes Diskussionsthema, weil erwachsene Schüler offenbar nicht mehr in der Lage sind, drei Kilometer zu Fuß zu gehen. Und wenn der Schulbus auf dem Weg zum Schwimmunterricht mit einer Motorpanne liegen bleibt, wird anschließend aus Sicherheitsgründen der Schwimmunterricht für diesen Jahrgang eingestellt, weil die Eltern ihren Kindern verbieten, in den Bus zu steigen.
Und das sind leider keine ausgedachten Beispiele, das ist ein kleiner Teil der täglichen Arbeit als Lehrkraft.
Wobei ich mich ja sowieso frage, wieso solche Eltern ihre Kinder überhaupt ins Schwimmbad lassen…