Ich bin gestern mit dem Regionalexpress von Kiel nach Hamburg gefahren und es war wieder ein Erlebnis sondergleichen.
Das Problem an der Sache war, dass ich meinen Anhänger dabei hatte. Das bedeutete, dass ich schon am Bahnhof Dammtor aussteigen musste, weil man dort im Gegensatz zum Hauptbahnhof kurz den Anhänger unten an der Treppe stehenlassen kann, um das Fahrrad runterzuschleppen, bevor ein Langfinger oder das Bombemräumkommando anrückt. Das wäre mir beim vollkommen überfüllten Hauptbahnhof zu riskant.
Wenn man also am Bahnhof Dammtor aussteigen möchte, dann muss man halt ein bisschen mit dem Gepäck jonglieren — und beispielsweise aufpassen, dass das eigene Rad nicht unter den anderen begraben wird.
Egal: Los ging’s erstmal in Kiel. Dort rollt ein schöner Zug mit Doppelstock-Wagen ein, allerdings als Regionalbahn von Neumünster, die anschließend abgestellt wird. Die Fahrt des RE 70 übernimmt daher eine alte Rumpelbahn vom Schleswig-Holstein-Express. Der hatte früher, als man in Schleswig-Holstein noch nicht so doll für das Radfahren war, ein Fahrradabteil direkt im Steuerwagen, das etwa vier Fahrräder unbeschadet transportieren konnte. Oder zwei Fahrräder und einen Kinderwagen. Oder ein Fahrrad und elf Fahrgäste, während der elfte Fahrgast steht und das Fahrrad in der Mitte des Wagens festhält. Dann hat man offenbar noch ein paar Sitze rausgeworfen und ein zweites Fahrradabteil im Steuerwagen eingerichtet, das ungefähr doppelt so groß ist, aber immer noch winzig im Vergleich zum Metronom.
Und vor allem hat der Metronom ein Fahrradabteil und ein Mehrzweckabteil. In der Regionalbahn Schleswig-Holstein handelt es sich eigentlich gar nicht um ein Fahrradabteil, sondern um ein Mehrzweckabteil. Und mit den Mehrzweckabteilen ist es wie mit der Fahrbahn: Radlinge werden nur geduldet. Wenn nachts um zwölf nach der Kieler Woche die Fahrgäste gerne auf den Klappsitzen hocken wollen oder noch ein Kinderwagen zusteigt oder noch jemand großes Gepäck dabei hat, dann wird man offenbar auch noch in Wrist oder Brokstedt mit dem Fahrrad aus dem Zug gebeten.
Genug Frust abgelassen.
Meine Freundin warnt mich schon, dass die Fahrt bestimmt wieder anstrengend würde und ich solle mich bitte nicht aufregen.
Kunststück.
Ich steige erstmal in Kiel in die Rumpelbahn in das kleine Mehrzweckabteil, noch schneller als ich waren aber zwei Fahrgäste ohne Gepäck oder Fahrrad. Der eine sitzt breitbeinig auf dem mittleren der fünf Klappsitze, der andere gegenüber in der Ecke. Bei dem breitbenigen Typen braucht man gar nicht erst fragen, ob er sich womöglich in die Ecke oder gar in einen anderen Wagen setzen könnte, denn der macht mit seiner Ausstrahlung gleich klar, dass er auf Stress aus ist. Also quetschen sich irgendwie sechs Fahrräder in das enge Abteil, während der Typ in der Ecke bemängelt, dass Fahrräder im Fahrradabteil stünden und der breitbeinige Macker breitbeinig sitzt.
Meine Freundin und ich scheuchen noch ein paar weitere Fahrräder in das zweite Abteil, das aber auch schon voll ist: Zwei Rentnerinnen mit Rollatoren, zwei weitere Fahrgäste mit großem Gepäpck und ein Radling auf der einen Seite, auf der anderen Seite ein Fußling nach dem anderen, natürlich immer mit einem freien Klappsitz Sicherheitsabstand. Die übrigen Fahrräder werden darum im Türraum transportiert.
Gut, es könnte schlimmer sein. Der Zug setzt sich in Bewegung. Der eine Typ in meinem Abteil beginnt sich ein Bier nach dem anderen in den Hals zu stecken.
Immerhin: Mein Fahrrad steht momentan so, dass es niemand kaputt macht und dass ich im Bahnhof Dammtor einigermaßen bequem aussteigen kann.
Dann kommt Neumünster. Ich habe nicht genau nachgezählt, aber ich hatte den Eindruck, dass in Neumünster ungefähr ein Dutzend Radlinge auf dem Bahnsteig standen. Ein paar quetschen sich offenbar in den übrigen Wagen in die Türräume, denn beide Mehrzweckabteile sind nunmal voll.
Theoretisch hätte es gepasst, wenn alle Fahrgäste, die problemlos auch woanders sitzen könnten, auch woanders gesessen hätten, aber… naja. Ich bitte um einen kurzen Moment Zeit, um Fahrrad und Anhänger ein bisschen weiter zur Seite zu räumen, der breitbeinige Typ regt sich auf, dass noch mehr Radfahrer reinkommen, meine Bitte um noch mehr Zeit verhallt aber ungehört, denn ohne Rücksicht auf jegliches Material wird ein Fahrrad nach dem nächsten ins Fahrradabteil geknallt.
Eigentlich ist „geknallt“ der falsche Begriff, „geworfen“ trifft es eher.
Schäden an meinem Fahrrad: Ein Lackschaden vom Bremsgriff eines Fahrrades, abgerissenes Lenkerband vom Pedal (!) eines anderen Fahrrades, zwei weitere Lackschäden vom Pedal jenes Fahrrades. Leicht angerissene Packtasche beim Monoporter und diverse Kratzer in der Beschichtung des Anhängers. Letzteres nehme ich noch einigermaßne locker, den habe ich schließlich gebraucht angeschafft, aber die Lackschäden am Fahrrad sind wieder so unnötig.


Ich tue kund, dass mir das nicht so ganz gefällt, weil ich auch gerne im Bahnhof Dammtor aussteigen möchte, aber meine Kritik kommt (zum Glück?) nicht an, stattdessen bekomme ich einen Fahrradlenker ins Gesicht, weil jemand ein dickes Tourenrad über die anderen Räder hebt und dabei beinahe noch den breitbeinigen Typen aus der Reserve lockt, der immer noch ein Viertel des Platzes im Fahrradabteil einnimmt, weil sein Gemächt so viel Raum braucht.
Boah.
Nun war ich echt angepisst. Mittlerweile sind zwölf Fahrräder im Abteil, es scheppert und klappert und es nimmt echt niemand Rücksicht auf das Eigentum anderer Leute. Klar, Gebrauchsgegenstand und so, aber manchmal ist nicht nur der Lack ab, sondern auch noch das Schaltwerk oder die Bremse oder der Scheinwerfer. Und es ist so affig: Beim Auto wird jeder winzige Lackschaden reguliert, beim Fahrrad zählt das als Verschleiß. Total geil.
Die restliche Fahrt verbringe ich stehend, damit nicht noch jemand auf die Idee kommt, noch mehr kaputtzumachen. Dann will in Elmshorn noch jemand einsteigen, ich versuche an der Tür zu helfen, während jemand anders meinen Anhänger aus dem Weg räumt und noch mal überall gegen haut. Scheiß drauf.
Dann nähern wir uns dem Bahnhof Dammtor. Unruhe macht sich breit, Räder werden herumgeräumt (und überall gegengehauen), denn einige Radlinge haben gemerkt, dass sie total eingeparkt worden sind. Wieder klirrt und scheppert es gewaltig, bis sich alle so aufgestellt haben, dass das Ausladen der Räder möglichst lange dauert. Es wird gemault, warum wir denn nicht alle am Hauptbahnhof ausstiegen, aber ich mache mir erst gar nicht mehr die Mühe, das irgendjemandem zu erklären.
Immerhin: Fahrrad und Anhänger sind noch fahrtüchtig. Und nächstes Mal fahre ich entweder die 80 Kilometer nach Hamburg mit dem Rad zurück oder nehme eine der früheren Bahnen am nächsten Morgen. Da gibt’s zwar viele Pendler, aber kaum Fahrräder.
Ein Glück, dass ich das Angebot, mit einigen anderen Fahrgästen auf so einem Schleswig-Holstein-Ticket mitzufahren, ausgeschlagen habe. Die hätten dann entweder zusätzlich das Fahrradabteil blockiert oder ich hätte mein Fahrrad ständig allein lassen müssen.
Schade, dass man für das so genannte Urlaubs- und Fahrradland Schleswig-Holstein nicht mal ordentliche Fahrradabteile bestellt hat, sowas wie im Metronom zum Beispiel. Die schicken grünen Doppelstockwagen haben zwar Steckdosen und Klapptische, aber nur dieses übliche Mehrzweckabteil unten drin.
Edit: Noch mal die schlimmsten Rechtschreibfehler korrigiert.