Beiträge von Malte

    Ich saß unten und hab von derben Beleidigungen, wie du sie hier schilderst, eigentlich nichts mitbekommen. Oder nicht mehr in Erinnerung.
    Waren die vielleicht nur oben zu hören?


    Am Anfang ging es noch einigermaßen gesittet zu, da stammt das Gemurmel eher aus meinem näheren Umfeld. Irgendwann zwischen dem Zeitpunkt, an dem du gegangen bist und der Sache mit der Bebelallee wurde es dann lauter — das hättest du unten auch noch gehört.

    Das ist sowieso ein Problem an solchen Zusammenfassungen: Ich notiere mir da auch Zwischenrufe, die vielleicht gar nicht so laut waren und höchstens einen Umkreis von fünf Personen erreichen, aber im Gesamtkontext wirkt das so, als hätte da jemand laut durch den gesamten Saal gebrüllt — was ja später auch tatsächlich der Fall war.

    Ich stand heute mal vor einem ganz neuen Problem, das ich noch gar nicht so betrachtet hatte: Wie kriege ich denn raus, wer jetzt die Begleitperson des Kindes ist?

    Ich wollte eigentlich auf der Fahrbahn abbiegen und ließ gemäß § 9 Abs. 3 StVO erstmal einen Radfahrer durch, der auf dem Gehweg fuhr. Dann kam ein weiterer Radfahrer mit einem Kind, den ich als Fall für § 2 Abs. 5 StVO identifizierte. Der hätte ja eigentlich zusammen mit seinem Kind absteigen und über die Einmündung schieben müssen, hat er aber natürlich nicht, hat er wahrscheinlich nicht nicht einmal gewusst.

    Das ist eigentlich eine ganz lustige Sache: Wenn Vater und Kind zusammenfahren, muss Vater absteigen. Fahren sie nicht zusammen, wäre da also einfach nur ein Schulkind in der Nähe eines erwachsenen Radfahrers gefahren, hätte der erwachsene Radfahrer nicht absteigen müssen. Vielleicht gehörte ja auch der Radfahrer, der drei Sekunden vor den beiden unterwegs war, noch dazu? Hätte der auch absteigen müssen?

    Man kann ja nur hoffen, dass jetzt nicht irgendwelche Kraftfahrer auf die Idee kommen, das Gewähren der Vorfahrt im Sinne von § 9 Abs. 3 StVO davon abhängig zu machen, ob sie irgendwo ein Kind im Spiegel erkennen. Obwohl… in Hamburg kann man ja nie wissen.

    So, mal sehen, ob ich das jetzt alles noch zusammenkriege.

    17.30 Uhr

    „Es geht um unsere Parkplätze!“, „Allerletzte Überlebenschance für unser Quartier!“, „Keine Fahrrad-Autobahn in unserer Straße!“ Die Ankündigungen waren dramatisch, die Resonsanz gigantisch. Vor dem Eingang trafen sich die üblichen Verdächtigen und bemängelten die Uhrzeit des Termins, der mit 18 Uhr so früh angesetzt wäre, dass „nur Arbeitslose und Radfahrer“ teilnehmen könnten. Die Sprüche kommen mir ja noch bekannt vor vom letzten Termin.

    Die Vertreter der arbeitenden Bevölkerung kämpfen derweil mit dem Parkscheinautomaten, der jegliches Kleingeld verschmäht. Immerhin hat man mit dem Rad diese Probleme nicht, zumal die Straße üppig mit Parkmöglichkeiten für Fahrräder ausgestattet wurde.

    Eine Dame hat eine Liste dabei, sie habe Radfahrer gezählt und wolle diese Liste heute vorlesen. Auf der Liste steht allerdings nicht viel: Sieben Radfahrer habe sie an einem Sonnabend zwischen zehn und zwölf Uhr gezählt, aber „mindestens doppelt so viele Autos“. Sie kann sich allerdings nicht erinnern, wo genau sie gezählt hat — geschweigedenn wie es um das Wetter bestellt war. Das sind wohl Details, mit denen man sich als Wutbürger keine Gedanken machen muss, Hauptsache man ist dagegen.

    Tatsächlich geht es hier längst nicht mehr um Politik, sondern nur noch um den erbitterten Kampf zwischen Kraftfahrern und dem Rest der Welt. Die Herrschaften, die sich mittlerweile in das Gebäude begeben, machen aus ihrer Abneigung Radfahrern gegenüber jedenfalls keinen Hehl. Das ist angesichts des Flugblattes, mit der die CDU ihre Wähler hergelockt hat, auch nicht weiter verwunderlich.

    18.00 Uhr

    Es ist tatsächlich recht voll geworden, nun könnte es langsam losgehen. Die CDU lässt eine Liste herumgehen, auf der man sich eintragen kann, wenn man über Umbauarbeiten am Mühlenkamp, an der Bebelallee oder an der Alster informiert bleiben möchte. Das Interesse ist durchaus gegeben, allerdings mangelt es an einem Kugelschreiber.

    Ich habe es mir oben auf dem Balkon gemütlich gemacht in der Erwartung, es würde wieder lustig hergehen, wenn die Wutbürger gegen Radfahrer keifen. Es sollte sich allerdings im Laufe des Abends herausstellen, dass es heute eher um Flüchtlinge und Bürgerbeteiligung gehen sollte, auch wenn Ploß immer wieder den Fokus auf die Parkplätze legen wird.

    22.30 Uhr

    Ein kurzes Resumee aus der Zukunft nach der Veranstaltung: Entweder ist Christoph Ploß ein ausgesprochen geschickter Politiker oder er hat einfach nur Glück. Ich tippe auf ersteres — wobei ich mir noch nicht einmal darüber im Klaren bin, ob er das eigentlich absichtlich oder unabsichtlich tut, aber er zerstört Rot-Grün auf eine ganz geschickte Art und Weise.

    In seinem Antrag („Wir als CDU fordern…“) packt er ganz unten seine ganzen CDU-Dinge rein. Keine Parkplätze vernichten, beispielsweise, oder mehr Sicherheit beim Eppendorfer Landstraßenfest. Dann kommen da noch mehr CDU-Dinge rein. Das komplette Paket verpackt er dann ganz hübsch und schreibt oben drauf in Großbuchstaben „BÜRGERBETEILIGUNG“ („Außerdem soll ein Bürgerforum / eine Planungswerkstatt / eine Bürgerbeteiligung stattfinden“).

    Rot-Grün hat überhaupt keine Möglichkeit, derartigen Anträgen zuzustimmen, ansonsten machten sie sich schließlich die Forderungen der CDU zu eigen. Ploß zwingt SPD und GRÜNE förmlich dazu, seinen Kram abzulehnen — und das ist für ihn total geil, denn so entsteht in der Öffentlichkeit jedes Mal der Eindruck, SPD und GRÜNE hätten die Bürgerbeteiligung abgelehnt.

    Dazu kommt, dass sich Rot-Grün in einer solchen Versammlung überhaupt nicht erklären kann, ohne sofort niedergebrüllt zu werden. Es mag schließlich oft genug gute Gründe geben, einen Antrag anzulehnen, beispielsweise aus verwaltungsrechtlichen Gründen oder weil der Antrag in dieser Form nicht verwirklicht werden kann — ich habe leider aufgrund des ganzen Wutgebrülls im Publikum nicht verstehen können, was die Vorsitzende dazu erklärt hat.

    18.05 Uhr

    Es geht los.

    Erstmal Diskussion über das Flugblatt, das Ploß im Vorraum ausgelegt hat. Tagesordnung wird nicht geändert, man weiß wohl nicht, inwiefern man die Punkte überhaupt verschieben sollte, denn die Tagsordnung ist ultramegalang und für jeden Punkt gibt es interessierte Zuschauer. Außerdem wären Bild- und Tonaufnahmen nicht gestattet — aus irgendeinem Grunde darf ich offenbar auch mein Notebook nicht benutzen, also tippe ich auf dem Handy weiter, damit hat interessanterweise niemand ein Problem. Komisch, ich hätte Bild- und Tonaufnahmen bei einem Smartphone für wahrscheinlicher gehalten als für ein Notebook, aber so ist das dann halt.

    TOP 4.1: Historie der Parksituation in der Haynstraße

    Herr Schwarz vom PK31 erklärt, dass sich die momentane Aufteilung des Verkehrsraumes 1981 etabliert habe, eine entsprechende Anordnung wäre nicht mehr auffindbar. Aus heutiger Sicht unter Berücksichtigung der heutigen Regelwerke wäre aber das Schrägparken nicht mehr möglich aufgrund der teilweise zu geringen Restfahrbahnbreiten entlang der Straße.

    Gelächter.

    Die Polizei könne ordnungswidriges Verhalten nicht dulden und müsse eingreifen, wenn sich Bürgerbeschwerden ergäben. Im Fall der Haynstraße habe es Beschwerden aufgrund der engen Gehwege gegeben.

    Gelächter.

    Gezeigt werden Fotos, die mit November 2016 datiert sind, auf denen ein enger Spalt von weniger als anderthalb Metern zu sehen ist.

    Aufregung, „Das reicht doch locker!“, „Da kann ich nur lachen“, „Warum werden unsere Fragen nicht beantwor-hor-hor-tet?“, „Die Häfte der Parkplätze ist weg! Für immer!“

    CDU: Die Haynstraße wäre nur ein Beispiel von vielen Straßen, in denen momentan der ruhende Verkehr neu geordnet würde. Gerade in Altbauvierteln wäre es eng.

    Die CDU wollte Parkplätze sichern, scheitere aber regelmäßig an der Ideologie von Rot-Grün. Man könne nicht ernsthaft eine autofreie Stadt fordern, man dürfe das Auto nicht aus ideologischen Gründen verdrängen. Wenn man Parkplätze entfernt, wäre Falschparken die logische Folge.

    Rot-Grün: „Das hat die Polizei entschieden, nicht wir.“ Er will wohl darauf hinaus, dass nicht die Politik plötzlich entscheidet, in einer bestimmten Straße das Parken zu kontrollieren, sondern die Polizei von sich aus tätig würde.

    Bürger: Er wohne dort seit 30 Jahren und es habe noch nie ein Problem gegeben, nicht ein einziges Mal. Man könnte ja Falschparker abschleppen, anstatt das Parken generell umzuändern. Jetzt habe man eine breite Autobahn, man könne nicht mehr über die Straße geben, weil alle so schnell führen.

    Applaus.

    Es ginge nur um Abzocke.

    Applaus.

    In der Eppendorfer Landstraße würde auch ständig kontrolliert.

    Applaus.

    Seit 30 Jahren wurde so geparkt, nun würde die Parkordnung ohne Notwendigkeit geändert. Es habe nie Probleme gegeben, es ginge nur um Abzocke.

    Applaus.

    Polizei: Die Polizei dürfe Falschparken nunmal nicht dulden. Es habe Beschwerden gegeben und den Beschwerden müsse man nachgehen. Außerdem sähe die Straße jetzt besser aus.

    „Darum geht’s nicht! Wo sollen wir parken?“, „Wie viele Beschwerden gab es? Tausend oder drei?“

    Es habe Beschwerden gegeben und das war war so nicht in Ordnung, egal ob es eine oder tausend Beschwerden gegeben hätte.

    „Das stimmt nicht!“, „Es gab nie Probleme!“, „Das ist Abzocke!“

    Nächster Bürger. Er möchte wissen, in welcher Situation die Restfahrbahnbreite gemessen wurde. Bei Autos, die an den Baumscheiben parkten, wäre es natürlich viel enger als sonst, aber dort könne man ja den Abschleppwagen holen.

    Außerdem wäre dort ein Schulweg und die Kreuzung sehr gefährlich. Die bretterten da mit 50 Sachen durch und es wäre nur eine Frage der Zeit, bis das erste Kind auf der Motorhaube lande. Er fragt nach dem Konzept für die Haynstraße.

    Applaus!

    Die Polizei antwortet etwas gelangweilt, dass das Konzept für die Hanystraße nicht darin bestünde, Verkehrsordnungswidrigkeiten zuzulassen.

    Aufregung im Publikum, nachdem jemand die Feuerwehr erwähnt hat, „Wären wir 30 Jahre lang nicht gerettet worden?“

    Nächste Bürgerin. Sie möchte wissen, warum das Schrägparken 30 Jahre lang geduldet worden wäre und warum es jetzt keinen Alternativvorschlag gäbe. Die Anwohner würden einfach weggebügelt, man dürfe nicht einmal mehr mit einem Smart schräg parken, das koste 25 Euro.

    Applaus.

    Außerdem schlägt sie vor, eine Einbahnstraße einzurichten.

    Polizei: Die Vorschriften hätten sich nunmal geändert, man brauche heute beispielsweise auch entsprechende Abstände für die Feuerwehr, um mit der Leiter arbeiten zu können. Eine Einbahnstraßenregelung wäre nicht möglich, weil man die Haynstraße als Verbindungsstraße bräuchte.

    Nächster Bürger: Warum wird sonnabends um 19.30 Uhr noch angezettelt? Könne man die Parkscheinpflicht in der benachbarten Straße nicht aufheben und die Parksituation auf diese Weise entspannen?

    Nächste Bürgerin: Es wäre schon allein an der Art der Präsentation wäre erkennbar, in welche Richtung das gehen solle. Niemand habe sich über die Gehwegbreiten beschweren müssen, es habe nie Probleme. Es ginge nur um Abzocke und Tickets verteilen.

    Applaus!

    Polizei: „Wie oft soll ich die Argumentation wiederholen?“

    Zwischenruf: „Es hat 30 Jahre funktioniert! Es gab nie Probleme!“, Applaus!

    Der Polizeibeamte wiederholt die Argumentation noch einmal, wieder unterbrochen von Zwischenrufen, dass alles bislang problemlos funktioniert habe. Dann bricht die Vorsitzende die Diskussion in Hinblick auf die lange Tagesordnung ab.

    Noch ein Anwohner. Er wohne seit 45 Jahren dort und ginge immer über die Straße (welche Straße?). Dann wäre dort eine Ampel aufgestellt worden, die ihm aber egal wäre, er ginge trotzdem über die Straße, auch bei rot. Dann habe ihn die Polizei erwischt und er musste zahlen.

    Lautes Gemurmel. Rest unverständlich. Will wohl weiter über die rote Ampel gehen. Offenkundig ein renitenter Kampfflaneur, für den keine Regeln gelten.

    Nächster Bürger. Er hat eine Frage zum Thema Parkraummanagement. Er habe ein Ticket wegen einer Überschreitung von drei Minuten bekommen. Drei Minuten! Es ginge nur um Abzocke, weil Rot-Grün den Autofahrer melken wolle.

    Lauter Applaus, große Aufregung.

    Die Polizei versucht den Sachverhalt mit der Parkraumbewirtschaftung zu erklären, leider aufgrund des Gemurmels und des Gelächters undeutlich. Es wäre eine Vorgabe des Rechnungshofes, dass das Falschparken verstärkt kontrolliert werden solle.

    CDU: Vielleicht könne man ja alternierend Längs- und Schrögparken anordnen.

    Weiterer Bürger will was wegen Schulwegsicherung. Noch eine Frage zur Anleiterbarkeit bei Feuerwehreinsetzen, Diskussionen mit Polizei, leider größtenteils undeutlich.

    Polizei: Man könnte heutzutage nicht alles, was man früher mal gemacht hat, heute gelteten andere Vorschriften.

    Gelächter.

    Noch ein Bürger. Leider undeutlich. Findet Parkgebühren doof, außer irgendwie vor der eigenen Tür, da müsse er kostenlos parken können, weil er da schon seit vielen Jahren wohne.

    Eine Bürgerin. Im allgemeinen Gelächter leider undeutlich.

    Noch ein Bürger. Er möchte wissen, warum die Parkgebühren nicht zur Herstellung neuer Parkflächen eingesetztn würden, schließlich endfielen drüben im Leinpfad 75 Parkplätze.

    Die Vorsitzende erlöst den Polizeibeamten und beendet die Fragerunde.

    „Wie geht es denn jetzt weiter? Wo soll ich parken?“, „Wo sollen wir parken?“, „So läuft das nicht, es geht um unsere Parkplätze! Wir haben ein Recht darauf!“

    TOP 4.2: Evaluation der Busbeschleunigung

    Nun geht’s um die Evaluation der Busbeschleunigung im Mühlenkamp. Die Evaluierung wurde im November 2016 abgeschlossen und der LSBG hat dazu eine längere Präsentation vorbereitet. Das konnte ich unnmöglich alles notieren, drum nur das wichtigste: Die Zeitersparnis für den Metrobus 6 läge im Bereich von 20 bis 25 Sekunden.

    Lautes, lang anhaltendes Gelächter

    Ich wundere mich ja ein bisschen über die Angabe von 20 bis 25 Sekunden — bezieht sich das nur auf den untersuchten Abschnitt im Mühlenkamp? Falls ja, hielte ich aus dem Bauch heraus 20 bis 25 Sekunden für einen soliden Wert angesichts der dortigen Situation. Bezogen auf den kompletten Linienweg des Metrobus 6 wäre das hingegen eher weniger imposant. Außerdem wäre die Anzahl der so genannten Störungen deutlich zurückgegangen, dazu zählen Falschparker, Unfälle und Blockaden aufgrund seltsamer Fahrmanöver und so weiter und so fort.

    Anschließend können wieder Fragen gestellt werden.

    Ploß bemängelt, das wäre alles beschönigend dargestellt. 269 Millionen Euro wurden total super ausgegeben. Die Anwohner aus dem Mühlenkamp hätten eine andere Meinung dazu, das wäre alles Teil einer ganzen Reihe von Schildbürgerstreichen. Anschließend zählt er unter lautem Applaus die in Hamburg-Nord entfallenen Parkplätze auf. Angesichts der 20 Sekunden Zeitersparnis stünden die Buamaßnahmen in keinem Verhältnis, denn die hätten das Quartier nachhaltig beschädigt.

    Der berühmte Poller an der Gertigstraße wäre ein Unfallschwerpunkt. Bürger berichteten außerdem von vielen Unfällen mit Schwerverletzen, die über die Schwellen entlang der Fahrbahn gestürzt wären. Es wäre keine Verbesserung für die Lebensqualität der Bürger. Schildbürgerstreich erster Klasse. Das Geld wäre in Bildung oder im Grün der Stadt besser investiert worden. Außerdem bemängelt er die fortschreitende Parkplatzvernichtung und fordert eine sofortige Änderung der politischen Stoßrichtung.

    Lauter, lang anhaltender Applaus.

    Bürger: 25 bis 30 Sekunden wären Comedy wie bei RTL, das wäre lächerlich.

    Nächster Bürger: Wer ist für die Unfälle verantwortlich? Er habe beinahe sein Auto an einer solchen Schwelle zerstört, die er viel zu spät gesehen hätte, nun will er sich einen Anwalt nehmen, denn die Polizei habe ihm gesagt, er wäre selbst schuld und müsse besser aufpassen.

    Jemand aus der Verwaltung möchte dazu keine Stellung nehmen, man wolle und dürfe keine Rechtsberatung geben. Er behauptet, das Überqueren der Straße abseits der eingerichteten Fußgängerüberwege wäre ordnungswidrig. Nun gibt es dort zwar einige Fußgängerüberwege, allerdings nicht im strittigen Bereich, da gibt’s Ampeln und auch da ist es nicht ordnungswidrig, links und rechts die Fahrbahn zu queren — wir sind hier schließlich nicht in der DDR.

    Jemand aus der rot-grünen Seite: 30 Sekunden bezögen sich nicht auf die Relation Borgweg-HafenCity, sondern auf die drei Minuten Gesamtfahrzeit in dem untersuchten Bereich.

    Aufgeregte Zwischenrufe. „Lüge!“, „Das ist Schwachsinn!“, „Das glaubst du doch selbst nicht!”

    Er führt weiter aus, dass der behindertengerechte Ausbau sinnvoll und von der EU vorgeschrieben wäre.

    Vorstellung der nun zu ergreifenden Maßnahmen. Das ursprüngliche Ziel wären 30 Sekunden gewesen, 25 wären darum gar nicht so schlecht und so weiter und so fort. Nun geht’s um Veränderungen an den Bordsteinkanten und ob die Kanten drei oder sechs Zentimeter hoch sein müssten.

    Frage von Ploß: Wie teuer sind jetzt die erneuten Baumaßnahmen?

    Antwort der Verwaltung: Etwa 50.000 Euro.

    „Unfassbar!“, „Zahl das mal schön selbst!“, „Dämliche Vollidioten!”, „Wie kann man diesen Abschaum nur wählen!“

    Bürgerin: Man solle keine Poller entlang der Gehwege aufstellen, sondern lieber die Falschparker aufschreiben. Die vielen Falschparker engten den Gehweg ein und stünden auf dem Radweg herum, so dass Radfahrer ausweichen müssten.

    Unruhe, „Hä? Wo soll ich denn sonst parken, wenn die GRÜNEN die Parkplätze vernichten?“

    Eine weitere Bürgerin beschwert sich, dass Radfahrer auf dem Gehweg fahren. Warum würde das Verhalten der Radfahrer nicht geahndet?

    Lauter Applaus, „Weil Radfahrer bei den GRÜNEN alles dürfen“, „Die sind vogelfrei“

    Bürgerin: Wo sollen Lieferwagen parken? Die müssten jetzt immer auf dem Radweg parken und Radfahrer würden wütend.

    Jetzt ist Bernd Kroll von „Unser Mühlenkamp“ an der Reihe und stellt die Ergebnisse seiner eigenen Evaluierung vor. Sehr viele Bilder von blockierten Fahrbahnen. Er hat auch in einigen Bereichen durchaus mehr Fachwissen als die Vertreter der Verwaltung. Man darf von „Unser Mühlenkamp“ halten was man will, aber dass es wirklich weniger Störereignisse im Mühlenkamp geben soll, klingt nach seiner Präsentation tatsächlich etwas unglaubwürdig. Ein einziger „Nur mal kurz“-Falschparker, die Müllabfuhr oder ein größerer Lastkraftwagen genügten, um eine komplette Richtungsfahrbahn für mehrere Minuten zu blockieren.

    Er Bemängelt, dass vom LBSG kein Wort des Bedauerns komme.

    Applaus.

    Er behauptet, man habe die 20 Sekunden falsch berechnet. Man habe die Abfahrtszeiten zu berücksichtigen, nicht den Zeitpunkt, zu dem die Türen geschlossen werden. Die Zeitersparnis sei vor allem den Fahrscheinautomaten zu verdanken, die den Fahrkartenverkauf vom Busfahrer an die Haltestelle verlegt hätten. In Wirklichkeit betrüge die Zeitersparnis aufgrund der Baumaßnahmen nur fünf Sekunden! Fünf Sekunden!!! Fünf Se-kun-den!!!

    Lauter, lang Andauernder Applaus.

    Bürger: Wer profitiert von den Maßnahmen? Ideologen? Rot-grüne Consulting-Unternehmen, die mit dem Ordnungsamt zusammenarbeiten?

    Kroll erzählt derweil weiter von seiner Evaluierung, das lässt sich in der Unruhe allerdings nicht nachvollziehen.

    Der Herr Hansen von dem Bureau, das die Evaluierung durchgeführt hat, ist genervt und erklärt noch mal das gesamte Maßnahmenpaket. Er bemängelt, dass in der Presse immer nur die Relation Sekunden / Millionen gebildet wurde.

    „Lüge!“, „Du Spinner”, kurzer Applaus.

    Eine Bürgerin sieht gewisse Vorzüge für den Radverkehr, allerdings würden die Schutzstreifen andauernd zugeparkt. Warum richtet man kein absolutes Haltverbot auf dem Schutzstreifen ein? Es gäbe neben dem Schutzstreifen außerdem einen Sicherheitsraum, aber da stünden ständig Autofahrer, die nicht ordentlich einparken könnten. Der Polizei wäre das egal.

    Kroll junior ist dran, er habe kein Auto und könne auf dem Rad nicht überholt werden, wenn er auf der Fahrbahn führe. (Wieso ruft jetzt kein Wutbürger laut „RAAAAAADWEEEEEG?“). Die Gehwege wären auch wackelig und wären nicht saniert worden.

    Haas, LINKE: Hat noch terminliche Anmerkungen. Radfahrer müssten halt auch mal Rücksicht nehmen und um Lastkraftwagen herumfahren.

    Dann legt Haas aber erst so richtig los, sie belehre auch manchmal Linksabbieger an der Gertigstraße und findet es doof, dass sich die Leute in Autos so veränderten und sich um gar nichts mehr kümmerten.

    „Die Radfahrer auch!“, bezogen auf die Zeit: „Wir wollen weiterkommen!“

    Die Vorsitzende bittet um Ruhe.

    Nun bringt Haas noch mal Virschlag zur Verkehrsberuhigung entlang des Mühlenkamps, der eine Sperrung für den motorisierten Individualverkehr vorsähe.

    „Ganz toll!“, „Du hast wohl einen Knall!“, „Dämliche Kuh!“

    Ploß: 269 Millionen Euro Steuergelder wären verschwendetes Geld. Außerdem wären eine dreistellige Anzahl von Bäumen gefällt worden. Warum unterstützten die GRÜNEN das? Rot-Grün solle sich für die vielen verunglückten Menschen entschuldigen. Man habe aus dem Desaster nichts gelernt und führe in anderen Straßen nach dem gleichen Prinzip fort. Seine Forderung: Sofortiger Stopp der Busbeschleunigung.

    Die Vorsitzende weißt Ploß darauf hin, dass der Ausschuss nicht für die Busbeschleunigung zuständig wäre und ein solcher Antrag hier nicht gestellt werden könne.

    SPD: Man müsse weiterbauen, schon aufgrund des barrierefreien Zustandes.

    Ploß redet dazwischen, möchte offenbar darauf hinaus, dass das eine ja auch ohne das andere ginge, wird aber von der Vorsitzenden zurechtgewiesen: „Sie sind nicht dran!“

    An die Vorsitzende adressiert: Laute „Buh“-Rufe, „Pfui!“, „Unfassbar!“, „Was bildest du dir ein?”

    Bürgerin: Man könne Barrierefreiheit auch ohne Busbeschleunigung herstellen.

    Applaus.

    Bürgerin: Findet es merkwürdig, dass sich alle über den Poller an der Gertigstraße aufregten, aber gleichzeitig Poller auf Gehwege gebaut würden.

    Bürgerin: Warum müssten die Bordkanten jetzt wieder abgesenkt werden?

    Antwort: Vorschrift hat sich geändert.

    Man diskutiert über die Gültigkeit von Richtlinien und den zeitlichen Ablauf von Planungen.

    „Wie sollen wir eigentlich die Tagesordnung schaffen?“, „Labert nicht so viel!“

    Bürgerin: Wohnt am Mühlenkamp und kann ihren Wagen nicht ausladen.

    Abstimmung über Entschuldigung und Stopp der Busbeschleunigung.

    Abgelehnt.

    „Unfassbar“, „Ihr Vollidioten!“, „Ihr seid das Aller-Allerletzte!“

    Das ist schon wieder etwas, das ich nicht ganz verstehe, aber oben schon angesprochen hatte: Der Antrag der CDU ist ein bisschen seltsam, weil man in Eppendorf-Winterhude nunmal nicht über die Busbeschleunigung als solches entscheiden kann. Trotzdem packt die CDU das alles in einen Antrag rein, setzt noch die Entschuldigung von Rot-Grün oben drauf und stellt das zur Abstimmung? Auch ohne die Nummer mit der Entschuldigung könnte Rot-Grün überhaupt nicht zustimmen. Aber auf diese Weise schürt man noch einmal den Hass auf die rot-grünen Abgeordneten und lässt die so richtig blöd aussehen. Falls das so beabsichtigt war: Echt ein cleverer Schachzug, meine Hochachtung!

    TOP 5.1: Raser in der Sierichstraße stoppen

    Ploß fordert Blitzer, denn da würde zu schnell gefahren.

    SPD: Wie viele Raser gibt es denn? Man solle lieber woanders blitzen.

    Bürgerin: Blitzampel mache keinen Sinn wegen Rückstau aus der Bebelallee.

    Abgelehnt.

    Interessanterweise blieb hier der laute Aufschrei aus, mit der Ablehnung eines Blitzers kann Rot-Grün wohl punkten. Die Frage ist aber, warum Ploß ausgerechnet so etwas fordert? Na, wegen der Bürgerbeteiligung natürlich. In der Drucksache 20-3891, die man leider nicht direkt verlinken kann, heißt es: „Die CDU unterstützt daher Initiativen von Bürgern, die sich bemühen, dass die gesetzlich vorgeschriebene Geschwindigkeit in der Sierichstraße von Autofahrern eingehalten wird.“

    Das hätte er aber besser einfädeln müssen.

    TOP 5.2: Eppendorfer Weg

    Der Eppendorfer Weg soll umgebaut werden, dort soll fortan Tempo 30 gelten und der Radverkehr auf die Fahrbahn verlagert werden. Die CDU will nur zustimmen, wenn keine Parkplätze entfernt werden.

    Zustimmung, man wird sich einig.

    TOP 5.3: Eppendorfer Landstraßenfest

    Es geht um Sicherheit und Rettungsdienste und Terrorismus.

    Ablehnung.

    TOP 5.4: Maria-Louisen-Straße

    Ploß: Rot-Grün wolle eine zweistellige Zahl Bäume fällen und weitere Parkplätze vernichten. In wenigen Monaten wären über 400 Parkplätze vernichtet worden, das wäre für Autofahrer eine Katastrophe (meint er Hamburg-Nord oder Hamburg? Die Maria-Louisen-Straße allein kann er ja nicht meinen.). Er wundert sich noch ein mal, dass die GRÜNEN Parkplätze vernichten wollten, obwohl der ständige Parksuchverkehr Schadstoffe erzeuge. Man müsse Bürger an den Planungen beteiligen, sonst könne man keine Umbauten erfolgreich abschließen, es würde immer Probleme geben. Auch die CDU wolle die Situation für Radfahrer verbessern, aber es solle bei einem Bürgerforum entschieden werden, welche Planung die beste wäre.

    Ploß redet und redet, wenn er nicht bald Luft holt, wird er ersticken.

    CDU fordert Planungswerkstatt oder Bürgerforum, es sollen nicht so viele Parkplätze vernichtet werden.

    Allgemeines Gemurmel.

    Die Vorsitzende bemängelt, dass Ploß Rot-Grün für irgendetwas beschuldige, was nicht in deren Verantwortung läge, leider geht das im Gemurmel unter. Ich glaube, es ging darum, ob irgendwelche Pläne bereits veröffentlicht worden wären, das läge aber nicht in der Macht von Rot-Grün, sondern stecke irgendwo in der Verwaltung fest.

    Diskussion über die Planung.

    GRÜNE: Die CDU denke nur an Parkplätze, nicht an die Sicherheit der Schulkinder, die dort zu Hunderten entlangführen.

    Bürger bedankt sich für den Einsatz der CDU für die Bürgerbeteiligung. Vor zehn Tagen habe er von einer neuen Planung aufgrund eines Kündigungsschreibens für das Nutzungsrecht (?) eines städtischen Grundstücks (?) erfahren. Laut jetziger Planung würde eine Autorennbahn gebaut. Da würde dann mit High-Speed gefahren. Man könne sich nicht hinstellen und sagen, alle Parkplätze müssten erhalten bleiben, aber die Grünen täten so, als müssten so viele Parkplätze wie möglich vernichtet werden.

    Lauter, andauernder Applaus, „Genau so ist es!“, „Ab-wäh-len! Ab-wäh-len!“

    Nächster Bürger: Wohne dort seit 26 Jahren. Leider akustisch unverständlich. Beschreibt seine Schwierigkeiten in die Straße einzufahren, weil ständig Radfahrer angeschossen kämen. Er wolle irgendwo 30 Parkplätze schaffen, leider kann ich das nicht ganz nachvollziehen.

    Hinter mir geraten drei Zuschauer in Unruhe, weil angesichts der angeschossen kommenden Radfahrer jetzt Anekdoten über das Fehlverhalten der Radfahrer ausgetauscht werden. Ich kann der Sitzung nicht mehr folgen, bitte einigermaßen höflich um Ruhe und werde kurz beschimpft.

    Ploß: Bemängelt, dass es keine Bürgerbeteiligung gegeben habe und viele Ideen gar nicht berücksichtigt würden, wenn man die Bürger zu spät informiere. Die ganzen Planungen wären auch noch gar nicht öffentlich.

    CDU-Antrag: Bürgerbeteiligung muss sein.

    Lauter Applaus.

    Haas an Ploß: Das wäre alles nur eine Wahlkampfveranstaltung. Sie hätten so getan, als wären sie für Schüler und Alte. Rest unverständlich wegen Gebrabbel im Publikum.

    Genöle im Publikum wegen Radfahrern.

    Hinter mir gerät man in Wallung und labert mir eine Blase ans Ohr, ob ich denn auch so ein verschissener Radfahrer wäre.

    Haas wagt währenddessen den Rundumschlag bezüglich Tempo 30 vor der Schule.

    „DA IST DOCH SCHON TEMPO 30 DU BLÖDE KUH!“, „Lass dich mal nach Schulschluss da blicken, dann kannst du was erleben!“, „Dämliche Fotze, du siehst auch schon so bescheuert aus!“

    GRÜNE: Bezeichnet schreiben als Pamphlet, Ploß mache nur Populismus, das könne er bald in Berlin weitermachen. Sicherheit wäre nicht verhandelbar.

    Gemurmel.

    Bürger berichtet, dass auch abends noch Menschen aus Lüneburg oder Buchholz an der Schule wären, die dort keinen Parkplatz fänden und nicht mehr an Veranstaltung teilnehmen könnten. Ob die ab jetzt mit der Bahn fahren sollten? Was wäre mit den ganzen Leuten, die mit dem Auto fahren müssetn? Wollten wir die nicht mehr, obwohl die Steuergelder zahlten?

    Er geht dann auf einen Abgeordneten der GRÜNEN zu und deutet mit dem Finger auf ihn. Die Vorsitzende ruft ihn mehrfach zu Ordnung, es wäre inakzeptabel, sich den Vertretern der GRÜNEN auf eine solch aggressive Weise zu nähern.

    Bürger bemängelt, dass die Bürgerbeteiligung von Rotgrün nichts tauge, weil sie nie stattfände und eh alles beschlossen wäre.

    Applaus.

    Tom Oelrichs erklärt, dass Informationenverteilung nicht so einfach wäre, weil man 300.000 (?) Haushalte habe, so viele wie in Augsburg wohnten, und man nicht mit jedem Bürger das persönliche Gespräch suchen könne. Rest undeutlich.

    Auffuhr, weil ein Bürger unterbrechen möchte und wütend im Sitzungssaal herumläuft, „Das ist unmöglich!“

    Bürgerin: Man bekomme von der Verwaltung oder Rot-Grün immer nur dumme Antworten.

    Bürger berichtet noch weiter von seinen Erfahrungen.

    Antrag abgelehnt.

    „Geht’s noch?“, „Ihr spinnt wohl!“, „Und ihr wollt Bürger vertreten?“ und so weiter.

    TOP 5.5: Bebelallee

    Ploß: Radfahrer würden zu den LKWs auf die Straße geschickt, dafür wären Fahrspuren entfernt worden. Die Folge wäre Staubildung. Stattdessen könne man auch in der Grünanlage Radfahren, das wäre auch viel schöner. Planung und Umsetzung müssten dringend evaluiert werden.

    Gerloff: Ploß sage einfach nicht die ganze Wahrheit, denn die Bebelallee wäre für einen Millionenbetrag komplett saniert worden, es wäre dort nicht nur um Fahrradstreifen gegangen. Die Situation für Radfahrer wäre untragbar gewesen, das wäre mehrfach in den Sitzungen erläutert worden. Ein gegenläufiger Radweg im Park wäre nicht zulässig, der Stau wäre nicht mehr geworden, sondern im Grunde genommen nur jetzt sichtbarer aufgrund der Vergengung von anderthalb auf einen Fahrstreifen. Radfahrstrifen wären die beste und sicherste Variante gewesen. Man müsse aber gucken, warum Radfahrer weiterhin lieber auf dem Matschweg durch den Park führen.

    Bürger: Beschwert sich auch wieder über Bürgerbeteiligung. An die CDU: Die Stadt wäre teilweise zu einer Zeit gebaut worden, in der es noch keine Autos gegeben habe. Eine solche Stadt könne nunmal nicht unendlich viele Autos aufnehmen. Man könne nicht überall seine Autos vor der Tür parken.

    „Wo soll ich denn sonst parken?“

    Noch mehr Ungemach

    Der Minutenzeiger auf der Uhr hinter mir an der Wand nähert sich der nächsten vollen Stunde, es ist gleich 22 Uhr und anscheinend muss die Sitzung aufgrund der Formalien um 22 Uhr beendet werden. Das kommt im Publikum nicht gut an, weil man noch auf die Tagesordnungspunkte bezüglich der Flüchtlingsthematik wartet.

    Lauter Aufruhr im Publikum, „Das ist unglaublich“, „Wir warten hier seit Stunden“, „Ihr seid wohl bescheuert!“, „Ihr Scheißfotzen!“ und so weiter

    Nun wird’s kurz lustig, denn die CDU stellt den Antrag, die Sitzung zu verlängern. Einer der GRÜNEN erklärt, das könnte nur einstimmig beschlossen werden. Ploß: „Dann stimmen sich doch dafür.“

    Rot-Grün lehnt eine Verlängerung allerdings ab.

    Riesiger Aufruf, „Lumpen“, „Verpisst euch“, „Ab-wäh-len! Ab-wäh-len!“, „Ihr habt sie nicht mehr alle!“, „Unfassbar!“, „Volks-ver-rä-ter! Volks-ver-rä-ter!“ und so weiter.

    Ein älterer Bürger stürmt wütend nach vorne, wedelt mitten im Saal mit dem Zeigefinger herum und ist außer sich vor Wut. Die Vorsitzende versucht ihn zur Ruhe zu bitten, aber das interessiert ihn nicht, außerdem kommt sie im allgemeinen Wortgebrüll ohnehin nicht zu Wort.

    „Volks-ver-rä-ter! Volks-ver-rä-ter! Volks-ver-rä-ter! Volks-ver-rä-ter! Volks-ver-rä-ter!“

    Die Vorsitzende versucht vergeblich die Formalien einer Sitzung zu erklären, es scheint wohl tatsächlich gute Gründe zu geben, eine Sitzung nicht einfach mal eben so zu verlängern, allerdings ist nur wenig davon akustisch auf dem Balkon zu verstehen.

    Allgemeines Wutgebrülle.

    Ein Abgeordneter der SPD (?) wirft Ploß vor, die Bürger mit der Ankündigung einer Anhörung hergelockt zu haben, obwohl er gewusste habe, dass heute nicht über eine Anhörung entschieden würde. Rest unverständlich.

    Lauter Aufruhr, Rumgebrülle, „Ihr seid doch bescheuert!“, „Volks-ver-rä-ter! Volks-ver-rä-ter! Volks-ver-rä-ter!“ und so weiter.

    Die Vorsitzende ruft nun energisch: „Ruhe bitte, alle!“

    „Du hast uns nichts zu sagen“, „Unsouverän!“, „Abwählen!“, „Verpiss dich! Du hast hier gar nichts zu sagen!“, „Haut ab! Haut ab! Haut ab!“

    Oelrichs erklärt irgendwas zu der Planung, wie das mit den Formalien ablaufe und wer daran beteiligt ist und welche Schritte es gibt. Er muss regelmäßig mit Widerworten aus dem Publikum kämpfen. Dann Bohlen: „Vielen Dank für acht Minuten inhaltsleeren Monolog.“ Oelrichs ist sichtlich erstaunt über diese Wortmeldung.

    Um 22.15 Uhr wird ein weiteres Mal über eine Verlängerung der Sitzung abgestimmt. CDU ist dafür, Rot-Grün lehnt den Antrag ab.

    Aufruhr im Publikum, „Ihr seid wohl bekloppt“, „Ihr Lumpen! Ihr Luuuuumpen!!!“, „Habt Ihr sie noch alle?“, „Volks-ver-rä-ter! Volks-ver-rä-ter!“, „Euch hätte man früher gehängt!“, „Bald läuft das hier anders ab!“ und so weiter

    Zurück zum Thema Bebelallee, um die geht’s ja eigentlich seit Ewigkeit. Der Bürger, der eigentlich noch das Wort hat, sagt nichts mehr, beziehungsweise ist schon gegangen, so ganz ist das nicht klar.

    Die weiteren Wortmeldungen gehen ebenfalls im Tumult unter, eine Bürgerin bekundet, es gäbe definitiv mehr Stau, weil Radfahrer jetzt mitten auf der Straße anstatt durch den Park führen, zwei weitere Bürger äußern Bedenken, die ich leider akustisch nicht verstehen konnte.

    Die Abstimmung über die Evaluation der Baumaßnahmen endet mit einer Ablehnung von Rot-Grün. Daraufhin brandet kurz erneuter Hass im Publikum auf, weil Rot-Grün damit auch indirekt die Bürgerbeteiligung abgelehnt hat: Die hatte die CDU geschickt mit dem Antrag verknüpft.

    „Volks-ver-rä-ter! Volks-ver-rä-ter!“, „A-F-D! A-F-D!“, „Euch hätte man früher im Ofen verbrannt! Wartet nur ab!“, „Verpisst euch!“, „Ihr habt sie wohl nicht mehr alle!“, „Ab-wäh-len! Ab-wäh-len!“, „Wir machen euch fertig!“ und so weiter

    Im Ernst und ohne zu dramatisieren: Es war unglaublich. Erwachsene Menschen mit Anzug und Krawatte sind vollkommen außer sich vor Wut und brüllen mit hochrotem Gesicht den politischen Gegner an. Ehepaare sitzen dort, beschimpfen die Abgeordneten aufs Übelste, von mehreren Zuschauern wird die Zeit des Nationalsozialismus’ glorifiziert, in der man den politischen Gegner einfach deportieren und in Massenvernichtungslagern verbrennen konnte.

    Ich habe wirklich Angst.

    Ich habe wirklich Angst, dass ich, der hier die ganze Zeit Mitschriften der Sitzung auf seinem Smartphone angefertigt hat, als politischer Gegner erkannt werde und von zwei kräftigen Wutbürgern vom Balkon geschmissen werde. Oder dass mir einer der Leute ein Messer in die Seite rammt. Das klingt bereits nach einer halben Stunde, die zwischen diesen Buchstaben und dem Ende der Sitzung liegen, reichlich übertrieben, aber scheiße, ich hatte echt Angst, dass die mich fertigmachen. Ich kann Menschen, die vollkommen normal aussehen, aber mit Nazi-Begriffen hantieren, echt nicht einschätzen.

    Ich mache mich also aus dem Staub und gerate an die Fahrrad-Hasser von vorhin. Scheiße, denke ich, mir steht die Kotze schon bis zum Kinn, aber man legt mir nur ganz friedlich dar, warum man solche „Hurensöhne“ wie mich hasse, denn schließlich würden für „uns Radfahrer“ aberhunderte Parkplätze „vernichtet“ und so weiter und so fort. Okay, das sind die üblichen Belehrungen, das ist nichts, was ich nicht auch irgendwo auf der Straße durchs Beifahrerfenster erklärt bekommen könnte.

    Ich gehe die Treppe herunter und stehe plötzlich in einer anderen Welt. Von der Aufregung oben auf dem Balkon ist hier deutlich weniger zu spüren. Man ist zwar angesäuert, aber findet noch eine sachliche Gesprächsebene, man redet noch miteinander und vermittelt nicht das Gefühl, sich gleich gegenseitig auf die Nase zu hauen. Ich schaue mich noch mal im Sitzungssaal um, wo erwartungsgemäß große Aufbruchsstimmung herrscht, allerdings auch Vertreter von Rot-Grün mit den Zuschauern ins Gespräch kommen. Soll ich nun glauben, dass die Wutbürger alle oben auf dem Balkon saßen?

    Um 22.25 Uhr bin ich endlich raus aus der Nummer. Wenn mich nächstes Mal jemand begleiten könnte, wäre das ganz freundlich.

    Ist das Wort "Hurensöhne" tatsächlich gefallen?

    Schräg hinter mir saßen drei Personen, die tatsächlich nicht nur „gegen Radverkehr“, sondern auch „gegen Radfahrer“ waren. Und hin und wieder habe ich versucht, um Ruhe zu bitten, weil ich stellenweise der Debatte schon wieder nicht folgen konnte, als alle mehr oder weniger aufgeregt tuscheln mussten. Das kam aber nicht gut an.

    Dann haben die aber mitbekommen, dass ich wohl gerne mit dem Rad fahre. Und am Ende, als die Stimmung schon extrem aufgeheizt war, musste man eben seinem Frust Luft machen und ich war nunmal der beste Ansprechpartner.

    Allerdings ist „Hurensöhne“ noch das harmloseste, was in diesen Minuten gerufen wurde. Allein die Sache von wegen die Grünen kämen bald alle in den Ofen ist… unfassbar. So ungefähr stelle ich mir die Leute vor, die Trump gewählt haben.

    Äh, ja. Ich war nun tatsächlich gerade vier Stunden und zwanzig Minuten bei dieser Veranstaltung und bin ehrlich gesagt absolut erschüttert.

    Die den Radverkehr betreffenden Themen waren ja geradezu uninteressant, aber im weiteren Verlauf bezüglich Bürgerbeteiligung und Flüchtlingsunterkunft war Rot-Grün nah dran, von den Zuschauern verprügelt zu werden. Kein Scheiß, das war schon nicht mehr feierlich.

    Ich frage mich langsam wirklich, ob man die Demokratie noch irgendwie in den Griff bekommt.

    Och, übrigens wurde mir am Ende auch noch mal einer eingeschenkt, als ich mich als Radfahrer zu erkennen gab, aber… der Vortrag über solche „Hurensöhne“ wie mich, die sich an keine Regeln halten und so weiter und so fort, der haut mich nun nicht mehr vom Hocker.

    Bedenklicher finde ich’s dann wirklich, wenn man Ende einer solchen Veranstaltung die eine laut „A-F-D! A-F-D!“ skandiert und irgendjemand dazu ruft, die Grünen kämen bald alle in den Ofen.

    Ich weiß nicht. Hier ist einfach jegliches Maß verloren gegangen.

    Wenn ich selbst die Schaltung einstelle, läuft sie überhaupt nicht mehr. Ich habe vor zwei Wochen @Patricks Rad schon in ein Fixie verwandelt, davon lasse ich erstmal die Finger.

    Schneeweißchen III war am Mittwoch zur Erstinspektion und hat jetzt einen Fahrradständer, um die Probleme zwischen Wand und Schalthebel zu reduzieren. Ich hatte das Rad eigentlich extra ohne Ständer bestellt, aber naja… :/

    Ansonsten: Die Schaltung wurde neu eingestellt und schnurrt einwandfrei. Alle Ritzel lassen sich fahren, beim Rückwärtstreten knallt nichts auf die Kettenstrebe, alles einwandfrei.

    Im Endeffekt: Es ist wirklich genau das Rad, was ich gesucht habe. So schön leicht und schnell und wendig und nichts klappert oder macht komische Geräusche. Und ich bin mordsmäßig hibbelig, einfach heute mit dem Rad zu Lisa nach Kiel zu fahren, anstatt wieder in den RE 70 zu steigen, aber angesichts meiner Arbeitszeiten ist ein weiterer Gran Fondo heute nicht machbar.

    Mir ist noch immer nicht klar, wie sich dieser Unfall abgespielt haben soll.


    Ich kann mir eigentlich nur vorstellen, dass zuvor beide Verkehrsteilnehmer in der Juliusstraße unterwegs waren, die Radfahrerin wollte dann geradeaus, der Lastkraftwagen nach rechts. Dann bleibt aber eigentlich nur die Möglichkeit, dass die Radfahrerin zwecks Vermeidung des Kopfsteinpflaster der Juliusstraße auf dem Gehweg unterwegs war — das ist ja nach meiner Beobachtung in der dortigen Straße leider Tradition, trotz der Markierungen für Radfahrer auf der Fahrbahn:

    Hier noch einmal die Perspektive vom Gehweg. Das Führerhaus des Lastkraftwagens befand sich nach dem Unfall rechts neben der Fußgängerfurt.

    MdEP Michael Cramer: Die Deutsche Bahn verschläft den Fahrradtrend

    Alter Falter, die Kommentare da drunter sind ja mal wieder der Oberknaller.

    Ich habe langsam das Gefühl, dass dieser ganze Hass auf Radfahrer vor allem ein gesellschaftliches Problem zu sein scheint. Das hat ja überhaupt gar nichts mehr mit irgendeiner Art von Diskussionskultur zu tun. Da bemängelt einer die Fahrradmitnahme in der Bahn und die Leute erzählen sich von den Berliner Radwegen, auf denen sie nur „1 Fahrrad“ gesehen hätten und überhaupt und sowieso. Wahnsinn.

    Zu der Thematik passend fällt mir dann noch dieses Foto von letzter Woche ein:

    Fahrradabteil laut Anzeige im Abschnitt F, aber da gab’s kein Fahrradabteil, weil dort eine Lok fuhr. Andere Seite des Zuges ebenfalls eine Lok.

    Kurzum: Fahrradmitnahme am Freitagabend im RE 70 nicht möglich, weil die Steuerwagen, in die das Fahrradabteil integriert ist, allesamt in der Werkstatt wären oder so, keine Ahnung. Die Alternative bestand dann darin, mit dem RE 7 bis Rendsburg und dort mit dem RE 74 bis Kiel zu fahren… und darauf zu hoffen, dass der Zugbegleiter keinen Terror wegen der Fahrkarte macht.

    Aber wie gesagt: Die Fahrradmitnahme tue ich mir freiwillig an. Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie das für Rollstuhlfahrer, Leute mit großem Gepäck oder Kinderwagen ist, wenn einfach mal einen ganzen Freitagabend lang keine Mitnahmemöglichkeit besteht. Die Kosten für ein Großraumtaxi für 120 Kilometer kann sicherlich auch nicht jeder einfach so aus dem Ärmel vorschießen.

    Sonst würde ich gerne auch mit dem Geldbeutel zeigen, dass das System so Scheiße ist.

    Wenn ich mir den Umgang der Bahn mit ihren Nachtzügen so ansehe, wird man jegliche Fahrradmitnahme aufgrund mangelnder Nachfrage abschaffen, anstatt bessere Möglichkeiten zu etablieren.