Heute fanden diverse Demonstrationen zum Jahrestag des russischen Überfalls auf die Ukraine statt und ich habe keine davon besucht; weder die große Demonstration in Berlin noch die kleinere in Hamburg, obwohl ich dort in unmittelbarer Nähe war.
Und im Nachhinein ärgere ich mich — natürlich — darüber.
Aber ich sah mich heute morgen tatsächlich außerstande, an diesem Jahrestag des russischen Überfalls auf die Ukraine eine Demonstration zu besuchen, bei der ich Gefahr laufen könnte, wieder irgendwelchen seltsamen Müll aus dem Megaphon zu hören. Ich erinnere mich dran, am Abend des 24. Februar 2022 auf dem Lüneburger Marktplatz zu stehen und mir eine Rede von irgendeinem Politiker der Linken anzuhören, der sich an der angeblichen Bedrohung Russlands durch die NATO und die Vereinigten Staaten abarbeitete, während nur ein paar tausend Kilometer entfernt unschuldige Menschen von russischen Bomben getötet wurden.
Und so wurde auch jede weitere Kundgebung, die damals beinahe täglich und im späteren Verlauf des Krieges noch wöchentlich stattfanden, ein gewisser Balanceakt: Kommt gleich wieder einer und schlägt vor, die Ukraine solle sich einfach ergeben, damit so etwas wie in Butscha sich nicht wiederhole?
Ich bin ja eigentlich recht tolerant, was Demonstrationen angeht. Klar, man marschiert nicht mit Nazis oder mit der AfD, aber wenn bei Fridays for Future mal wieder irgendjemand vom Sozialismus schwärmt oder allzu leichtfertige Forderungen gestellt werden, von wegen wir sollten die Automobilindustrie doch einfach von heute auf morgen zumachen, dann stelle ich mich halt an den Rand der Demonstration, wo es nicht so voll ist, denn mit den grundsätzlichen Zielen der Bewegung stimmte ich ja überein, wenngleich auch nicht mit jeder Zeile jeder dort geschwungenen Rede.
Aber ich gehe nicht noch mal zu einer Demonstration, bei der jemand fordert, die Ukraine solle sich einfach ergeben, damit das Töten aufhöre. Oder wir sollten keine Waffen mehr liefern, um den Krieg zu beenden.
Nun stellte sich im Nachhinein heraus, dass bei den heutigen Demonstrationen in Hamburg und Berlin solche Forderungen nicht gestellt wurden, aber nachher ist man ja immer schlauer. Nun ärgere ich mich, meiner Bürgerpflicht nicht nachgekommen zu sein, um wenigstens mal zwei Stunden meiner Zeit zu investieren, für meine Meinung — und für die Ukraine — auf die Straße zu gehen.
Immerhin war ich so konsequent, heute die Critical Mass ausfallen zu lassen. An einem Tag wie diesem noch fröhlich mit Musik und Seifenblasen durch die Stadt zu radeln wäre mir tatsächlich zu viel gewesen.