Straftanzeigen
Im Unterschied zu einer OWi-Anzeige kann eine Strafanzeige nicht so mir-nichts-dir-nichts-hoppla-hopp eingestellt werden.
Dass es in vielen vielen Fällen doch auf eine Einstellung hinausläuft, steht auf einem anderen Blatt. Rein rechtlich kann man sich gegen eine
Einstellung aber zur Wehr setzen. Doch der Reihe nach.
Eine Strafanzeige kann wie bereits oben erwähnt mündlich oder schriftlich bei Polizei, Staatsanwaltschaft oder dem Amtsgericht erfolgen.
An dieser Stelle empfehle ich tatsächlich den Gang zum PK, da hier häufiger Strafanzeigen aufgenommen werden und bestimmte Sachverhalte erfragt werden, die man bei einer eigenständigen, schriftlichen Formulierung möglicherweise vergessen würde.
Eine Strafanzeige kommt für Radfahrer immer dann in Betracht, wenn ein besonders gefährlicher Verstoß vorlag oder einem unumwunden mit körperlicher Gewalt gedroht wird.
Nur ein paar Beispiele:
- enges Überholen, hupen, anschließendes Ausbremsen
- das berühmte "von der Straße schieben". Also nebenherfahren und dann rechts rüber ziehen und abdrängen
- "Verpiss dich von der Straße, oder ich überfahr dich!!!!"
- vollendete Körperverletzung durch Schläge, Tritte etc
- Sachbeschädigung durch Anfahren/Kontakt/Unfall
1) Vorgehen und Hinweise
Es hat also einen Vorfall gegeben, auf Grund dessen man sich zu einer Strafanzeige entscheidet.
a) relativ zeitnah ein PK aufsuchen
Allerdings ist es manchmal ratsam, durchaus erst nach Hause zu fahren, um sich ggfs. zu informieren oder gleich ein eigenes kleines Gedächtnisprotokoll zu schreiben.
Bei der Gelegenheit können auch von der möglicherweise vorhandenen ActionCam gemachte Aufnahmen gesichtet werden. Wer die
Möglichkeit sieht, kann gerne auch nach 18:00 auf einem PK vorbeischauen, spätestens ab 20:00 ist es erfahrungsgemäß dort etwas ruhiger was Publikumsverkehr & Einsätze angeht
Jedes PK wird eine Strafanzeige aufnehmen, unabhängig davon, wo sich der Vorfall ereignete. Aber es hilft manchmal, wenn der Beamte des zuständigen PKs die Situation vor Ort, Straßennamen, Geschäfte etc. kennt, die ein einfacheres Verständigen ermöglichen.
b) was sollte ich mitbringen?
- Personalausweis/Pass
- Kennzeichen des Kfz
- Beschreibung des Fahrers/der beteiligten Personen
- Adressen von evtl. Zeugen
- ca. 30-60min Freizeit, je nach Umfang der Anzeige
c) Den Vorfall so sachlich und ausführlich wie möglich/nötig schildern
Es kommt hier nicht auf jede Kleinigkeit an - aber viele Kleinigkeiten können wichtig sein. Der leitende Satz wird sein: "Was ist wann, wo, wie (und warum) passiert?"
Achtung: Es ist eure Strafanzeige. Ihr unterschreibt dafür. Also lest euch durch, was der Beamte aus euren Ausführungen macht. Korrigiert, sofern nötig.
Was weniger gut ankommt: Rechtschreibung und Interpunktion zu bemängeln. Bei grammatikalischen Fehlern kann man sich noch darauf berufen, dass
der ein oder andere Satz mit der Wortreihenfolge einen anderen Sinn ergibt...
Die Polizei wird einen Satz im Protokoll unterbringen, der sinngem. lautet: "stelle Strafanzeige wegen aller in Frage kommender Delikte".
Dieser Satz sollte so oder so ähnlich unbedingt drin stehen. Das hat den Hintergrund, dass Euch und dem Polizeibeamten möglicherweise nicht klar ist, welche Straftaten sich aus dem Protokoll nun entnehmen lassen. Wäre doch "schade", wenn nur Strafanzeige wegen Beleidigung gestellt würde, aber da auch noch Bedrohung und Körperverletzung drin stecken.
Wichtig:
Ihr erhaltet von diesem Protokoll keine Kopie und dürft euch auch selbst keine machen.
Wer allerdings vergisst, seine ActionCam auf dem PK auszumachen, der hat unter Umständen eine Aufnahme des ausgedruckten Protokolls in der Videodatei oder darf sich daheim darüber amüsieren, wie seltsam die eigene Stimme klingt, wenn man das Protokoll im PK nochmal laut vorliest. 
Fast(?) alle Straftaten, die einem Radfahrer widerfahren können, sind sogenannte Antragsdelikte. Dies bedeutet, die Staatsanwaltschaft wird erst Ermittlungen aufnehmen, wenn ein Strafantrag gestellt wird. Diesen Strafantrag wird euch der Polizeibeamte vorlegen. Unterschreiben!
Das war es bis dahin. Mehr könnt ihr jetzt nicht machen. Nun heißt es abwarten.
2) weiterer Ablauf
a) Einstellung
Die Polizei wird die Strafanzeige + Strafantrag an die zuständige Staatsanwaltschaft leiten.
Dort werden die meisten Strafanzeigen die den Bereich "Straßenverkehr" betreffen, gleich wieder eingestellt.
Im Unterschied zu einer OWi-Anzeige gibt es hier jedoch Post von der Staatsanwaltschaft mit einer Begründung der Einstellung.
Und der Einstellungsbegründungstextbaustein lautet hier in Hamburg:
[finde gerade meinen §§-Ordner nicht. Ich trage das später nach. Daher sinngem.:] Einstellung nach §153 StPO, da kein öffentliches Interesse vorliegt und die Schuld des Täters als gering anzusehen ist. Sowie Einstellung nach §170 StPO. Da schiebt die Staatsanwaltschaft gerne vor, dass nach vorliegenden Aussagen keiner Partei mehr Glauben geschenkt
werden könne als der anderen. Eine Verurteilung nicht erfolgen wird und das Verfahren damit quasi wegen mangelnder Erfolgsaussicht eingestellt wird.
Es folgt eine Rechtsbehelfsbelehrung, wonach man binnen 14 Tagen bei der Generalstaatsanwaltschaft Beschwerde gegen den Bescheid (also die Einstellung des Verfahrens) einlegen kann. Sollten zwischenzeitlich keine neuen Videobeweise, Zeugenaussagen etc. auftauchen, kann man sich entweder die Arbeit sparen oder die Beamten am Amtsgericht nerven.
Um ehrlich zu sein: eine "Gefährdung im Straßenverkehr" und ähnliches hat wenig Aussichten auf Klageerfolg. Interessant wird es bei Strafsachen wie Körperverletzung und Beleidigung.
Lustigerweise scheint die Hemmschwelle, ein solches Verfahren einzustellen, deutlich höher zu sein. Da bekommt man an einer Stelle einen Einstellungsbescheid zu einer Anzeige, obwohl man fast abgeschossen wurde, weil der Fahrer so eng überholt, dass man den Kontakt Auto-Fahrrad mitbekommt. An anderer Stelle wird ein Verfahren angestrebt, weil der Fahrer lautstark kundtut, dass er den Radfahrer jetzt überfahren wird.
Tja. Das eine ist eine "Unachtsamkeit". Das andere ist tatsächlich Körperverletzung. Denn auch das begründete Fürchten um die körperliche Unversehrtheit, sein Leben gar, kann den Tatbestand der vollendeten Körperverletzung erfüllen. Vielleicht bei Aufgabe der Strafanzeige berücksichtigen. 
Sollte es zu einem Strafverfahren kommen, gilt auch wie bei einem OWi-Verfahren:
- ihr seid als Zeuge geladen
- der Arbeitgeber muss euch in aller Regel freistellen
- Verdienstausfall und Fahrtkosten werden von der Landesjustizkasse beglichen
b) ich will aber unbedingt klagen!
da hilft dann nur der Weg zum Rechtsanwalt. Denn nach der Beschwerde bei der Generalstaatsanwaltschaft und deren Abweisung der Beschwerde, ist ohne Rechtsbeistand hier Schicht im Schacht. Klageerzwingungsverfahren bedürfen zwingend eines Rechtsanwaltes. Und mal ehrlich: die Erfolgsaussichten sind nicht so wahnsinnig rosig. Wenn man dann auch bedenkt, dass selbst bei Verurteilung des Beschuldigten in aller Regel nur relativ milde Strafen ausgesprochen werden, sollte man sich wohl überlegen, hier Geld für einen RA locker zu machen.
Und: eine Rechtsschutzversicherung zahlt - soweit mir bekannt - keine Honorare bei Klageerzwingungsverfahren.
Fazit:
Ich möchte niemanden davon abbringen, eine Strafanzeige zu stellen. Steht der Verdacht auf Körperverletzung im Raum, würde ich in jedem Fall dazu
raten. Egal, ob der Autofahrer den Baseballschläger aus dem Kofferraum holt, er nur eine Backpfeife austeilt oder damit droht, euch zu überfahren.
Wer "nur" eng überholt oder geschnitten wurde, der sollte eher über Anzeige wegen einer Ordnungswidrigkeit nachdenken.