Man könnte komplett ohne Ampeln auskommen: Alle Verkehrsteilnehmer brauchen nur so langsam sein, dass sie keine Unfälle verursachen, und sie müssten anderen Vorfahrt geben, fair sein. Quasi selbstverwalteter Verkehr.
Aber in der Praxis funktioniert sowas nicht. Der Zweck von Ampeln ist meiner Meinung, den Verkehrsfluss zu optimieren und Fairness sicherzustellen, und das bei größtmöglicher Sicherheit für alle.
Meistens funktioniert das recht gut, aber manchmal eben nicht.
Wenn ich Rot habe und ich sehe, dass andere dafür fahren dürfen, warte ich natürlich und lasse die anderen fahren.
Aber es gibt auch häufig Situationen, in denen es niemanden gibt, für den ich warten muss. Ich muss also nicht warten, weil dadurch jemand anderes einen Vorteil hat. Nein, ich muss warten, nur weil irgendeine schlecht konzipierte Maschine mir das vorschreibt.
Ich kann jeden Radfahrer gut verstehen, der dann sagt "Ich habe rot, aber ich weiß, dass es hier niemanden gibt, für den ich gerade warten muss. Also fahre ich trotz rot."
Hätte ich vor, bei rot zu fahren, wüsste ich genau, dass es eine Owi ist und andere nicht damit rechnen. Ich würde also erstmal die gesamte Situation betrachten, auch hinter mir (mir könnte ja die Ordnungsmacht folgen), bevor ich mich bewusst die Regeln breche.
Vorsichtig bei Rot zu fahren halte ich für sicherer, als gedankenlos bei Grün zu fahren.
Aber kann man deshalb nun fordern, Radfahrern Rotlichtfahrten generell zu gestatten? Nein, sicher nicht. Denn dann wäre die besondere Vorsicht häufig dahin, deutlich mehr schwere/tödliche Unfälle dürften die unmittelbare Folge sein.
Ich bin auch mal bei rot gefahren, wo ich die Kreuzung nicht kannte und die Verkehrssituation unübersichtlich war. Der Autofahrer hat gebremst, danke.
Rotlichtfahrten müssen weiter geahndet werden, denn andererseits käme das einer Erlaubnis gleich.
Das System funktioniert, solange nur relativ wenige sich nicht an die Regeln halten. Würde sich jedoch niemand daran halten…
Das beste Mittel gegen Rotlichtfahrten und andere Verstöße sind faire Verkehrsanlagen. Wer Bettelampeln aufstellt, wer Kontaktschleifen installiert die Fahrräder ignorieren, wer ewig lange Ampelphasen ohne entsprechend viel Verkehr in der bevorzugten Richtung programmiert, der braucht sich nicht zu wundern, dass Regeln nicht akzeptiert werden.
Wenn man das Gefühl hat, dass man als Radfahrer ständig nur verarscht wird, verliert man schnell den Respekt vor den Regeln.