Ich habe gestern über die oben gezeigte Straße mit einem Kollegen gesprochen, der auch oft mit dem Rad kommt. Er fährt dort immer auf dem Radweg. Den Unterschied zwischen benutzungspflichtigen und nicht-benutzungspflichtigen Radwegen kennt er nicht. Dies ist sicherlich der Wissensstand der meisten Radfahrer hier. Man behandelt Radfahrer wie Fußgänger, die sich auf gar keinen Fall auf der Fahrbahn bewegen sollen und folglich verhalten sie sich auch wie Fußgänger: Hauptsache auf dem Hochbord, egal in welcher Richtung und auf welcher Straßenseite. Dort, wo es gefährlich ist, können Radfahrer doch absteigen und schieben. Man dürfe als Radfahrer halt nicht immer auf sein Recht pochen, was in der Praxis darauf hinausläuft, dass das Recht des Stärkeren (Kfz-Verkehr hat grundsätzlich Vorrang) gilt. Auf den vielen gemeinsamen Geh- und Radwegen geht die ganze Fehlplanung auf Kosten der Fußgänger.
Diese Grundeinstellung gilt es zu ändern: Beim Stadtrat, bei der Verwaltung und nicht zuletzt bei den Verkehrsteilnehmern selbst. Wie es gelingt, dass Radfahrer ihre Rechte wahrnehmen (können), ohne jedesmal ein Hupkonzert zu ertragen oder gar dabei über den Haufen gefahren zu werden, wird eine spannende Aufgabe.
Beim letzten Gespräch mit der Verwaltung war ein Thema, was mit den gemeinsamen Geh- und Radwegen nach Entfernen des
passiert. Rechtlich gesehen wird aus einem Weg, der keinen optisch erkennbaren Bereich für Radfahrer hat, ein reiner Gehweg, auf dem man mit dem Fahrrad nichts zu suchen hat. Aus einer Benutzungspflicht wird schlagartig ein Benutzungsverbot und es ist davon auszugehen, dass die meisten Radfahrer das gar nicht wissen und selbst die, die es wissen, sich nicht auf die Fahrbahn trauen.
Nun ist ein nicht-benutzungspflichtiger Radweg dadurch definiert, dass ein Radfahrer den Weg als Radweg erkennt. Eine Kennzeichnung für einen Radweg, den man benutzen darf aber nicht muss, gibt es nicht. Das allein stehende Zusatzzeichen
ist nur auf der Gegenrichtung vorgesehen.
Nicht, dass ich falsch verstanden werde: Ich möchte, dass hier alle unnötigen und vor allem unzulässige Benutzungspflichten aufgehoben werden. Ich möchte aber auch, dass hier mehr Leute das Fahrrad benutzen, die bislang nur Auto fahren. Ein Argument der Verwaltung für unnötige Benutzungspflichten war genau das: Wenn man z.B. vor den Kreisverkehren Radfahrer auf die Fahrbahn führt und die Benutzungspflicht aufhebt, dann wäre es anschließend auch Oma Ilse verboten, auf dem bisherigen Weg neben der Fahrbahn zu fahren. Man befürchtet, dass bei einem Fahrbahnzwang einige Radfahrer vom Radfahren abgehalten würden.
Die Frage, die ich mir aber stelle, lautet, ob der rot gepflasterte Weg von Oma Ilse nicht trotzdem weiter mit dem Rad benutzt werden dürfte. Es gibt jedenfalls ausreichend viele Beispiele, wo das auf jeden Fall geduldet wird.
Diesen Kreisel hier hatten wir schon mal:
Die Straße Am Staatsarchiv ist eine Tempo-30 Zone. Hier gibt es einen rot gepflasterten Weg, der zwar nicht benutzungspflichtig ist, der aber genauso aussieht, wie die benutzungspflichtigen Wege. Fahre ich aus dieser Straße auf der Fahrbahn in den Kreisel, ist das legal. Auch aus der Straße Am Bahnhof ist der rot gepflasterte Weg nicht benutzungspflichtig. Nur aus Richtung Am Güterbahnhof steht am Beginn des Kreisverkehrs Z240 und zwingt Radfahrer auf das rote Pflaster. Kommt man von oben in den Kreisel von der Salztorscontrescarpe, ist der rot gepflasterte Weg benutzungspflichtig. Das weiß man aber nicht, wenn man über die Holzbrücke über den Burggraben kommt, weil dort kein Blauschild steht.
Für mich ist das ein Scheinargument der Verwaltung. Es gibt Situationen, wo man von Radfahrern erwartet, auf einem rot gepflasterten Weg zu fahren, auch wenn dort kein Z240 steht. Es gibt Wege, die nur benutzungspflichtig sind, wenn man aus bestimmten Richtungen kommt, aber aus anderen Richtungen nicht. Die Radfahrer sind hier auch gewohnt, dass sie sich die Wege mit den Fußgängern teilen, weil es kaum getrennte Geh- und Radwege gibt. Für den Durchschnitts-Radler, der nicht die StVO auswendig kennt, ist aus meiner Sicht ein rot gepflasterter Weg neben der Fahrbahn auch ohne Z240 ein Radweg, den er benutzen darf (leider auch aus Sicht der Autofahrer, die erwarten, dass die Radfahrer diesen auch benutzen). Dass man eine Benutzungspflicht aufrecht erhält, nur um das Gewohnheitsrecht, auf rot gepflasterten Wegen zu fahren nicht zur Ordnungswidrigkeit werden zu lassen, kann es eigentlich nicht sein.
Quiz: benutzungspflichtig oder nicht?

Kurz vorher gibt es einen rot gepflasterten und einen hell gepflasterten Bereich, also einen getrennten Bereich für Radfahrer und Fußgänger (rot für Radfahrer). Dann geht es über in diesen nur rot gepflasterten Bereich. Da das eine Tempo-30 Zone ist, ist der Weg nicht benutzungspflichtig, aber er beginnt aufgrund der optischen Trennung eindeutig mit einem Weg, den man benutzen darf. Wie sollte ein Radfahrer erkennen, dass er auf diesem rot gepflasterten Teil plötzlich nicht mehr fahren darf? Wenn man optisch hervorheben wollte, dass das nur noch ein Gehweg und kein Radweg mehr ist, müsste man das helle Pflaster fortführen, aber nicht das Rote.
Ich fahre dort immer an der ersten Bordsteinabsenkung auf die Fahrbahn, aber sehe immer wieder Radfahrer, die weiter auf dem Hochbord bleiben. Wie man auf dem Bild sieht, sogar in Gegenrichtung und auch dort, wo die geringe Breite eine gemeinsame Nutzung mit Fußgängern absolut ausschließt.