LKW-Unfall am 7. Mai

  • Meine Vermutung:

    Der Richter hat sich überlegt, welche Geldstrafe er gegen den Fahrer verhängen möchte. Vermutlich landete er da bei den sonst durchaus üblichen 30-90 Tagessätzen für einen toten Radfahrer. Bei einem Tagessatz von 40 € sind das 1.200 bis 3.600 €.

    Aber irgendwie erscheint ihm das zu niedrig. Vielleicht möchte er auch keine Schlagzeilen der Art "so billig ist ein toter Radfahrer" produzieren.

    Also definiert er die Geldstrafe zur Spende um und garniert das mit einer "Nicht-Strafe" in Form von Bewährung.

  • Der Richter , der sicherlich die Strafe gerne höher gesetzt hätte, muß auch abwägen was passiert wenn das Urteil vom Landgericht "einkassiert" wird.

    Was er vermutlich nicht möchte ist das sein Urteil dann abgeschwächt wird. Im Gegenteil.

    Der LKW-Fahrer hat durch durch sein Verhalten eine Mutter von 2 Kindern getötet. Von dieser Warte aus hat er kwasi lebenslänglich.

    Angeklagt wurde er der fahrlässigen Tötung. Bei dem "fahrlässig" ist er allerdings uneinsichtig.

  • Juristische Laie bin ich zwar auch, allerdings ich auch Schöffe am Amtsgericht.

    Angeklagt war der LKW-Fahrer aufgrund von § 222 StGB - Fahrlässige Tötung. Maximal sind 5 Jahre Haft oder eine Geldstrafe möglich.

    Haft und Geldstrafe schließen sich nach meiner Kenntnis aus, daher die Zahlung an eine gemeinnützige Einrichtung.

    Zur Bewährung können Haftstrafen ausgesetzt werden, wenn die Haftstrafe maximal zwei Jahre beträgt. Zusätzlich wird bei der Bewährung berücksichtigt, ob Vorstrafen bestehen und wie die Zukunftsprognose für das Verhalten des Beklagten aussieht. Darüberhinaus ist es sinnvoll, wenn sich der Beklagte kooperativ verhält, da dies im Straßmaß berücksichtigt werden muß.

    Das Urteil wurde übrigens nach kurzer Rücksprache mit seinem Anwalt noch im Gerichtssaal akzeptiert.

    Bewährung bedeutet natürlich auch, dass sich der Verurteilte im Lauf der Bewährungszeit strafrechtlich nichts zu Schulden kommen lassen darf.

    Auch kleinere Straftaten können ansonsten zu einem Widerruf der Bewährung führen.

  • Zitat

    Auch kleinere Straftaten können ansonsten zu einem Widerruf der Bewährung führen.

    Können Sie theoretisch, tun Sie aber in der Praxis mWn praktisch nie.

    Zumindest gehen ähnliche Fälle regelmäßig durch die Presse. Da werden dann Bewährungen nicht widerrufen, weil die neue vorsätzliche Tat aus einer anderen Deliktgruppe stammt als die für die Bewährung relevante.

    Ich habe den Glauben an die Wirksamkeit von Bewährungsstrafen weitgehend verloren.

  • Ich habe den Glauben an die Wirksamkeit von Bewährungsstrafen weitgehend verloren.

    Bewährungsstrafen sind „ehrenrührig“. Sowas sollte man scheuen, weil man danach als verurteilter Straftäter die entsprechende gesellschaftliche Ächtung erfährt. Jeder, der öffentlich eine Bewährungsstrafe als „Freispruch 2. Klasse“ diffamiert, trägt mit zur Erosion dieses auf die “Guten Sitten“ angewiesenen Strafprinzips bei, die letztlich der alles entscheidende Faktor beim Funktionieren eines demokratischen Gemeinwesens sind.

  • Ja, das verstehe ich ja, wenn es eine Strafe für eine vorsätzliche Stratftat ist. Der Mann ist jedoch bislang straßenverkehrsrechtlich nicht auffällig gewesen, noch lese ich etwas von anderen Vorstrafen oder Einträgen. Ich vermute also, dass er ein ganz normaler Bürger ohne kriminelle Energie ist. Welche Strafe ist da nun eine Haftstrafe auf Bewährung?

  • Jeder, der öffentlich eine Bewährungsstrafe als „Freispruch 2. Klasse“ diffamiert

    Ich stelle nur fest, dass eine zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe weniger Folgen für den Täter hat als eine Geldstrafe mit der gleichen Anzahl von Tagessätzen.

    Gesellschaftliche Ächtung funktionierte vielleicht früher auf dem Dorf, aber nicht mehr in der weitgehend anonymen Gesellschaft einer Großstadt.

    Bleibt noch der Eintrag im Führungszeugnis. Da ist schonmal fraglich, ob den überhaupt jemals relevant wird. Und selbst wenn: Macht es da überhaupt einen formalen Unterschied, ob da 8 Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung oder 240 Tagessätze stehen?

  • man gilt als vorbestraft mit entspechendem Eintrag ins Führungszeugnis.

    Und eine Reihe von Berufen sind damit nicht mehr ausübbar.

    hm.

    Landen da nicht nur Vorstrafen mit mehr als einem Jahr?

    / 3 MOnate sind die Grenze, aber 8 Monate Bewährung werden nach 3 jahren gelöscht.

  • Das Abendblatt schreibt: Nach dem Tod einer Mutter: Wie Hamburg Radfahrer schützt

    Die dort aufgezählten Maßnahmen klingen ja ganz nett, aber die Nummer mit Tempo 30 im Eppendorfer Weg höre ich mir ja auch schon seit geraumer Zeit an. Ob das in dieser Legislaturperiode noch etwas wird?

    Kurze und präzise Antwort: Nein. Nun wird 2033 2023 oder 2034 2024 angepeilt.

    Tempo-30-Strecke am Eppendorfer Weg verzögert sich weiter

    Ich wundere mich ja wirklich, wie das mit der Verkehrswende eigentlich klappen soll, wenn wir weder die Infrastruktur in den Griff bekommen und schon an der Einrichtung einer Tempo-30-Strecke scheitern. Die Radverkehrsinfrastruktur in meinem Heimatort Büdelsdorf sieht heute noch so aus wie vor 30 Jahren, außer dass 1997 eilig überall blaue Schilder aufgehängt wurden, um die Radwegbenutzungspflicht aufrecht zu erhalten. In Hamburg sieht die Infrastruktur mitunter immer noch so schäbig aus wie 2008, als ich das erste Mal mit dem Rad dort langgefahren bin. Außer ein paar punktuellen Sanierungen und den Vorzeigeverkehrswendestraßen in der Innenstadt halten sich die Verbesserungen sehr in Grenzen.

    Und über den Eppendorfer Weg wird nach meiner Kenntnis schon Ewigkeiten gestritten, die ersten Ideen zu Tempo 30 stammen nach meiner Erinnerung aus der Zeit, in der die Geschwindigkeit in der Stresemannstraße unfallbedingt reduziert wurde. Und jetzt noch mal drei Jahre? Das wird ja nie was.

  • Äh, 2023 oder 2024 ist natürlich richtig.

    … obwohl, man kann ja nie wissen.

    Haha, ich hatte das als Sarkasmus aufgefasst.

    „Zeigen wir dem staunenden Ausländer einen neuen Beweis für ein aufstrebendes Deutschland, in dem der Kraftfahrer nicht nur auf den Autobahnen, sondern auf allen Straßen durch den Radfahrer freie, sichere Bahn findet.“ (Reichsverkehrsministerium, 1934)

  • Ich wundere mich ja wirklich, wie das mit der Verkehrswende eigentlich klappen soll...

    Ich vermute gar nicht? Man kann ja m.E. nicht ernsthaft gleichzeitig fördern, dass möglichst viele Menschen mit möglichst neuen Autos in den Städten rumfahren und fordern, dass sie genau das *nicht* tun.

    Für sowas muss man vermutlich Politprofi mit Rhetorik-Coach, Privatfriseur, Chauffeur und garantierter "Altersentschädigung" sein. Ich persönlich geb nichts auf das Adels-Geschwätz...